§ 2. Evidenz der Wahrheitsidee und Gotteserkenntnis

2.1 Der "Gottesbeweis" der dritten Cartesischen Meditation

Die oben zitierten Descartes-Interpreten - Alquié, Lauth, Manzana stellen die Unmittelbarkeit der Einsicht: "Sum/Deus est" (1), wie sie nach Descartes gegeben sel, heraus.

Nun scheint es meines Erachtens allerdings unmöglich, die dritte Cartesische Meditation anders zu deuten, als daß Descartes hier für seinen Schluß auf die Existenz Gottes die Gültigkeit des Kausalprinzips bzw. des Satzes vorn zureichenden Grund voraussetzt. Es handelt sich sehr deutlich um eine "Konklusion" (2), und die Fragestellung der Meditation ist von vornherein auf die hinreichende Ursache für die realitas objectiva", für den Bedeutungsgehalt der in uns angetroffenen Ideen gerichtet, wobei sich im Hinblick auf die Idee Gottes zeigen soll, daß nur die Existenz Gottes die hinreichende Ursache für den Bedeutungsgehalt dieser Idee abgibt. Sieht man allein auf den Text der dritten Meditation, so kann man nicht rechtens davon sprechen, der Schluß vermittels des

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Kausalprinzips sei gegenüber der "'unmittelbaren' Erfassung Gottes", die ,den Kernpunkt seines (sc. Descartes') ganzen Gedankenganges ausmacht" (3), eine sekundär reflexive" Weise (4). Die Weise, wie Descartes hier seinen Gedankengang vorträgt, enthält eine petitio principii": Die Gültigkeit aller Prinzipien - sehen wir einmal von der Frage nach der Einsichtigkeit der "idea clara et distincta' Gottes ab - soll doch erst aus der Erkenntnis der existierenden absoluten Wahrheit selbst abgeleitet werden (5).

Diese Feststellung schließt jedoch nicht aus, daß der tiefere Gedanke Descartes' ein anderer gewesen und man daher berechtigt ist, nach einer Interpretation auch der dritten Meditation auf einem spekulativen Hintergrund zu suchen, die die doch etwas gewagte Annahme zerstörte, ein so sdiarfsichtiger Denker wie Descartes habe einen so groben Verstoß gegen die Spielregeln der Logik nicht einmal bemerkt. Ein solcher tiefergreifender Interpretationsversuch könnte dann vielleicht im gleichen Zuge ein Ahnliches für den nicht weniger problematischen ontologischen Gottesbeweis" der fünften Meditation leisten, nämlich den Erweis eines in transzendentaler Stringenz geführten Grundgedankens, der beiden Beweisen', die - in ihrer expliziten Formulierung - den Leser unbefriedigt lassen, erst das metaphysische Gewicht gibt, das ihnen eigentlich zukommt (6).

Eine solche Interpretation, die eine genaue Sichtung des Gesamtwerks Descartes' und seiner entscheidend neuen Züge gegenüber dem zeitgenössischen scholastischen Denken - wie es sich etwa in den Einwänden zu den Meditationen" niedergeschlagen hat - voraussetzte, kann hier nicht angestrebt werden. Statt dessen wollen wir versuchen, dem Grundgedanken [Grundge-

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danken] nachzugehen, der die Descartes-Interpretation F. Alquiés, R. Lauths und J. Manzanas bestimmt, um von hierher einen ersten Ansatz für den eigenen Versuch einer transzendentalphilosophischen Erhellung der Möglichkeit von Offenbarung zu gewinnen.

2.2 Der notwendige Schluß des Denkens auf die Existenz der absoluten Wahrheit

Faßt man die "Idee' der absoluten Wahrheit nach Analogie anderer, kategorialer Vorstellungen', die sich das Bewußtsein von den Dingen bildet - und so scheint Descartes in der dritten Meditation vorzugehen, indem er die Idee Gottes neben den Ideen von Mensch, Chimäre, Himmel und Engel" bedenkt (7) -, dann ist die Kritik Kants unüberwindbar: 'Gott' kann für die reine theoretische Vernunft nur noch eine regulative Idee' sein (wobei allerdings unerklärlich bleibt, wie eine solche Idee regulativ', d. h. das Denken bestimmend sein kann (8) ). Dies aber ist das Mißverständnis, das die Kritik am ontologischen Gottesbeweis" von Gaunilo bis Kant bestimmte, ein Mißverständnis, das Anselm wie Descartes, am schärfsten wohl Hegel zurückgewiesen haben (9).

Erst wenn das Denken bis zu jener Selbsthelligkeit des Seins im "cogito/ sum' vorgestoßen ist, wo das Gedachte, das "Logische', die Idee notwendig wirklich ist - nicht zwar als objektivierter Gehalt, sondern als aller Objektivierung zugrunde liegender Akt -, kann das Wesen Gottes nicht nur in seiner notwendigen Wirklichkeit, sondern überhaupt erst transzendental gedacht werden. Erst aus der Selbsthelligkeit der Vernunft [Ver-

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nunft], der lebendigen Idee Gottes, kann begriffen würden, daß Gott kein - auch noch so erhabenes - Seiendes, sondern "Sein/Wahrheit" ist. Wie sollte die absolute Wahrheit als die innerste Bestimmung dieses sich selbst als existierend erfassenden Denkens - ohne die es seine Helle und Existenz nie im Horizonte absoluter Gültigkeit erfassen könnte, weil es an das je Faktische verfallen bliebe und nicht zu sich selber käme -, wie sollte die absolute Wahrheit dann aber als von geringerem Seinsrang, in einer 'bloß logischen' Ordnung nämlich, gedacht werden können?

Ist der spekulative Gedanke aber einmal bis zu dieser Identität vorgedrungen, daß die absolute Wahrheit notwendig existiert, weil sie die innerste Bestimmung des cogito/sum" ausmacht - das sich nie und nimmer in die bloße Phänomenalität zurücknehmen kann -, dann taucht aber eine andere, größere Schwierigkeit auf, nämlich die, eine Transzendenz der absoluten Wahrheit gegenüber dem Ich zu denken (10). Aufgrund der erkannten Identität ist nicht nur die absolute Wahrheit notwendig Sein, sondern das Denken selbst scheint das Absolute zu sein. Und da das Denken nur im Ich denke' seine Wirklichkeit hat, so scheint das ich, notwendiges Moment dieses Absoluten zu sein, ohne das es nicht absolut sein kann - die Konsequenz des metaphysischen Idealismus. Der Versuch, die Transzendenz des Absoluten gegenüber dem Ich denke' hervorzuheben, scheint notwendig in das Verlassen des transzendentalen Horizontes und einen groben Realismus zurückzufallen, in dem das Absolute außerhalb des Denkens verwiesen und damit zu einem bloßen Sein ohne Wahrheit degradiert wird. In beiden Fällen - dem metaphysischen Idealismus wie dem groben Realismus' - muß der transzendental begriffene Gott' vom transzendentalen Standpunkt aus als tot' erklärt werden - wobei dem metaphysischen Idealismus das Verdienst zukäme, wenigstens das Leben Gottes dadurch gerettet zu haben, daß die Vernunft sich selbst zur Absolutheit erhob (11).

Der Schritt in ein absolutes Identitätsdenken, in dem Endlichkeit und Unendlichkeit als zwei sich gegenseitig bedingende Modi des Lebens der absoluten Wahrheit aufgehoben sind und eine Transzendenz der absoluten Wahrheit gegenüber dem Ich als ein unspekulatives Festhalten an einer das Leben der absoluten Wahrheit selbst zerstörenden "Schranke' zurückgewiesen wird, dürfte in der Tat unausweichlich sein, wenn das Faktum des Selbstbewußtseins nicht in seinem Ursprung bedacht, sondern dogmatisch [dog-

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matisch] zum absoluten Ausgang erhoben wird (12). Diese Dogmatisierung des Faktums, welche den Ursprung der Evidenz des "cogito/sum" vergißt, ist aber in Wirklichkeit selbst die Zerstörung des Lebens der Wahrheit.

Der lebendige Wahrheitsvollzug, in dem das Faktum des Selbstbewußtseins gründet, ist nie in den Kategorien einer nur theoretischen Vernunft zureichend zu erhellen. Descartes hatte die Evidenz des cogito' dadurch in ihrem Ursprung erkannt, daß er den affirmierenden Charakter des Zweifelsaktes als eine "Voraussetzung' der Idee der absoluten Wahrheit bedachte. Diese Voraussetzung" der Wahrheit in der radikalen Selbstbesinnung als dem Ort der Evidenz des cogito/sum" ist aber nicht die logische Präsumption einer Prämisse, sondern der unbedingte Entscheid der Freiheit zur Vollbringung ihres eigensten Wesens. Wahrheit ist ... keine Sache, sondern eine Norm -, Wahrheit soll sein" (13).

Das Festhalten am bloßen Faktum der absoluten Evidenz des Selbstbewußtseins als eines sich ins Unendliche entwerfenden Aktes, unter Absehen von der praktischen Bestimmtheit des Denkens als Entschluß zu dem Sollen der Wahrheit, vergißt hingegen mit dem Ursprung zugleich ,ihren Begründungsausweis - wodurch die gesamte Spekulation dogmatisch" wird, d. h. ohne Wissen um ihren Grund. Nicht schon jeder faktische Zweifel kommt ja zu der Evidenz der absoluten Wahrheit. Ich kann mich in einem nicht ernsthaften Zweifeln herumtreiben, sinnlos herumfragen, kann grundlos alles skeptisch belächeln ohne Bewußtsein meiner absoluten Wahrheitsbestimmung (und doch schon längst eine absolute Setzung zur Bestimmung meines Lebens vollzogen haben, die ich nicht vor meinem Fragen verantworte). Erst indem der Zweifelnde der Helle inne wird, die sein radikales Fragen entzündet, entrinnt er der Unreflektiertheit des bloß faktischen Denkens. Dieses Innewerden" ist aber nur möglich, indem das Denken sich zugleich zu dem unbedingten Verfolg der Wahrheit entscheidet. Die ursprüngliche Evidenz des Selbstbewußtseins ist kein rein theoretisch beschreibbares Licht, sondern zugleich Sinn und Ziel der Freiheit, das ergriffen werden muß, damit es leuchte (14).

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Erst indem das Selbstbewußtsein seinen Ursprung im lebendigen Freiheitsentschluß zur Wahrheit als einem absoluten Sollen bedenkt, wird es ihm möglich, das Wesen der Transzendenz dieser absoluten Wahrheit gegenüber dem freien Ich in der Immanenz des Selbstbewußtseins zu erfassen; indem es sich des Sollens in der Unmittelbarkeit des lebendigen Entschlusses bewußt ist, d. h. aber nach dem vollzogenen Ansatz beim radikalen Zweifel (15): in der Not des Ich angesichts seiner Bestimmung zur absoluten Wahrheit. Wird dieses Sollen" hingegen sogleich wieder rein theoretisch reflektiert auf die es konstituierende Dialektik - das Endliche kann nur Unendliches sollen, indem es seine Endlichkeit aufhebt und selbst unendlich wird -, dann bleiben Ich' und absolute Wahrheit' in den sie umgreifenden absoluten Prozeß verspannt (16).

Bezüglich des Bewußtseins der ursprünglichen Helle des Ich im Zweifel scheint mir nun über das bisher Bedachte hinaus ein weiterer wichtiger

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Schritt getan werden zu müssen, ehe das auf absolute Geltung hin reflektierende Denken überhaupt hoffen kann, seine Bestimmung zu erreichen. Bevor wir diesen Schritt selbst erwägen, muß jedoch noch die Bestimmtheit der absoluten Wahrheit" näher gekennzeichnet werden, wie sie aus dem bisher Gesagten folgt.

2.3 Die Erkenntnis der absoluten Wahrheit als Gotteserkenntnis

Sowohl bei Descartes und Fichte als auch in der ihnen folgenden Philosophie R. Lauths wird jene auf dem Wege des "methodischen Zweifelserkannte absolute Wahrheit als "Gott' bezeichnet. über diese Gotteserkenntnis wird dort sodann die Möglichkeit letztgültiger Erkenntnis des Menschen - die Wissenschaftslehre' - abgeleitet.

Wenn man aus der Idee der absoluten Wahrheit' - als Möglichkeitsbedingung des Zweifels -, die zugleich als innerste Sollensbestimmung der Freiheit eine Idee des absoluten Gut-Seins" ist, auf Gott" schließt, muß man sich aber vor einer vorschnellen Übertragung hüten, die dem christlichen Philosophen zwar naheliegt, nicht aber philosophisch gerechtfertigt ist. Der beim radikalen und universalen Zweifel ansetzende Philosoph ist stets in einer zweifachen Gefahr, nämlich entweder in einen allgemeinen Skeptizismus zu verfallen, der die innere Bestimmtheit seines Denkens durch die Wahrheitsidee nicht erkennt, oder aber den Zweifel selbst nicht ernst zu nehmen. Der Zweifel ist zwar innerlich bestimmt als Voraus-Setzung absoluter Wahrheit - ohne die er sich nicht wirklich radikal vollziehen kann. Damit ist die Zweifelssetzung aber noch nicht hinreichend bestimmt. Sie ist als Zweifel - worin sie sich von der positiven Affirmation unterscheidet - gerade die Setzung von Ungewißheit, einer noch nicht entschiedenen Gültigkeitsdifferenz von wahr und falsch. Keine faktische Setzung ist - dies ist die Grundvoraussetzung des universalen methodischen Zweifels - von sich herbereits legitimiert. Sie muß auf ihre Berechtigung hin befragt werden, bevor sie gelten darf. Wir sind vom ersten Kapitel dieses Abschnittes an dieser Grundvoraussetzung gefolgt, ohne - gleichsam "von außen her" - festzustellen, daß diese Voraussetzung als faktische Setzung in einen inneren Widerstreit führt, der nur dadurch aufzuheben ist, daß diese ursprüngliche Setzung sich als vorläufig erkennt und in eine höhere Wahrheit hinein aufhebt.

Wenn wir also auch nicht von vornherein die innere Möglichkeit des universalen methodischen Zweifels in Abrede stellten, so mußten wir in

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seinem Nachvollzug gemäß seiner Grundvoraussetzung doch immer vor Augen halten, was ihn allein legitimieren kann: das wirkliche Erscheinen der Zweifelhaftigkeit aller faktischen Setzungen. Wo hingegen die Wahrheit wirklich erscheint, ist der Zweifel aufzugeben. Sonst wird er zu einer willkürlichen Setzung, deren Wahrheitsanspruch nichtig ist, aus der nie und nimmer auch auf die Wirklichkeit der absoluten Wahrheit geschlossen werden darf.

Nun hat sich im Verlauf der Erörterun-en zwar der im Zweifel - als radikalem Willen zur Wahrheit - aufleuchtende "Durchbruch" durch den universalen Zweifel gezeigt: Das Faktum cogito/sum' widersteht jedem Zweifel. Aus der bloß faktischen Evidenz wurde das "cogito/sum" sodann auf seine genetische' Evidenz aus der absoluten Wahrheit hin reflektiert.

Damit bleibt aber in der Konsequenz des Zweifelsansatzes bestehen, daß jede andere Bestimmung - die Universalität des anderen' (neutral) gegenüber dieser transzendentalen Subjektivität und ihrem absoluten Wahrheitsgrund und damit auch die Weisen der Selbsterfassung der Subjektivität, die über den (hinsichtlich des apodiktisch gewissen Wahrheitsgehaltes) noch völlig unbestimmten Wahrheitshorizont des reinen Ich hinausgehen (17) - zweifelhaft ist. Die Zweifelhaftigkeit der Universalität möglicher und wirklicher Bestimmungen des Ich ist nicht schon mit der apodiktischen Evidenz des cogito/sum" aufgehoben und auch nicht mit der Rückführung dieser Evidenz auf eine letzte "genetische" Evidenz, in der jene letzte' faktische Evidenz gründet.

Mit einem Zitat F. Alquié's bezüglich des cartesisch-neuzeitlichen Ausgangs des Gottesbeweises und der Begründung gültiger Erkenntnis von dem aus seinen geschichtlich-welthaften Bezügen isolierten Ich her sei auf den existentiellen Horizont' dieser Sachlage verwiesen:

"Ce style (sc. des Gottesbeweises) se retrouve, au siècle de Descartes, en bien des mouvements d'esprits protestants, pascaliens ou spinozistes, prenant, nous semble-t-il, leur commune source dans le souci qu'eprouve alors la conscience humaine, ayant perdu le cosmos aristotélicien, et ne trouvant devant elle que la multiplicité spatiale et la temporalité successive du Monde de la science, de decouvrir en soi les conditions de son salut" (18).

Darf man nun aber von diesem isolierten und im Hinblick auf eine mögliche gültige Selbstverwirklichung (die nur in der Bestimmung durch das ,Nicht-Ich" möglich ist) völlig ungewissen Ich, das dennoch nicht umhin kann, die Existenz einer "absoluten Wahrheit-, auf die es sich notwendig

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als Sinn und Ziel hin entwirft, anzuerkennen, darf man von dieser gewissen Wahrheitsrelation als von einer Relation zwischen "Gott' und "Ich" sprchen? Nur, wenn man den Gottesbegriff bis zu einer leeren Unbestimmtheit verallgemeinert, unter die auch noch ein absolut existierender Tyrann' des Menschen subsumiert werden könnte (19).

Weist man eine mögliche Interpretation dieses "Gottes" als "Tyrann" ab, dann hat man in der Idee der "absoluten Wahrheit", kritisch ungerechtfertigt, schon die Idee einer "öglichen Offenbarung"impliziert (20). Dann hat man zugleich aber den universalen (methodischen) Zweifel aufgegeben, der die Möglichkeit absolut gültiger Bestimmung des Ich in seinem anderen (zumindest) "einklammert".

Von hierher ergeben sich kaum zu überwindende Schwierigkeiten für jeden Versuch, aus der über den methodischen Zweifel vermittelten Erkenntnis der "absoluten Wahrheit' die Möglichkeit gültiger Einzelbestimmung abzuleiten. Weder eine Kritik der Wahrheitsdeduktion bei Descartes (21) noch der Fichteschen Wissenschaftslehre kann hier jedoch unsere Aufgabe sein. Wohl aber ist in einem erneuten Rückgang auf die 'Voraussetzungen des universalen Zweifels zu erwägen, ob sich aus der grundlegenden Evidenz der absoluten Wahrheitsidee nicht doch mehr ermitteln läßt als die bloße Relation zwischen "Ich" und "absoluter Wahrheit".

ANMERKUNGEN

1 Vgl. R. Lauth, Zur Idee 25.

2 Vgl. Med. III (A.-T. VII, 45, 51, 53).

3 Vgl. J. Manzana, a.a.O. 150.

4 Vgl. ebd. 151 f.

5 Vgl. J. Maréchal, Cah. II 62, Précis 69; E. Husserl, Cart. Med. 1 (Hua. 1 63) u. ö.; W. Röd, Descartes 101-107; vgl. auch D. Henrich - der sich auf den Einwand Arnaulds bezieht -: Er (sc. der Gottesbeweis der 3. Meditation) soll die Wahrheit von Logik und Mathematik sichern und ist doch selbst eine Erkenntnis nach deren Regeln" (Der ontologische Gottesbeweis 22). - Gegen Maréchal wäre allerdings ein ähnlicher Einwand hinsichtlich der Gültigkeit des bei ihm vorausgesetzten Finalprinzips zu machen (s. o. S. 49 ff.).

6 Zu einer solchen Interpretation vgl. die zitierten Arbeiten R. Lauths und J. Manzanas, bes. die Darstellung bei F. Alquié (La découverte 218-238). Alquié weist vor allem auf die transzendentalphilosophische Valenz des ontologischen Arguments bei Descartes und Anseim hin. Endlich wieder eine Würdigung dieses Arguments, die nicht zugleich seine philosophische Bedeutungslosigkeit meint, indem sie seinen theologischen Wert hervorhebt! (Zu einer solchen Würdigung durch K. Barth, K. Jaspers und W. v. den Steinen vgl. D. Henrich, a.a.O. VI A 1). Diese Interpretation wird dem ontologischen Argument sicher mehr gerecht als das Bemühen aufzuzeigen, daß der Beweis der fünften Meditation von dem der dritten (oder umgekehrt) abhängig ist (Lit. s. D. Henrich, a.a.O. 20-22).

7 A.-T. VII, 37.

8 Vgl. etwa J. Manzana (a.a.O. 169): Wenn die absolute Wahrheit nur eine Vernunftsprojektion' ist, ist nicht einzusehen, warum diese Wahrheit als sich-selbst-Setzendes' und über-der-Vernunft-Stehendes' auftritt, das von ihr unbedingt zu bejahen ist'; J. Möller (Von Bewußtsein zu Sein 154): "... das Bemühen, dem so Gedachten nur einen regulativen Charakter beimessen zu wollen, versagt, weil der nur regulative Charakter eben das Transzendieren der Vernunft nicht erklären kann'; vgl. bes. die Kritik, die G. Siewerth an der Kantschen Position geübt hat: Thomismus 11.

9 "Es ist ... bekannt, daß der erhabenste Gedanke Descartes, daß der Gott das ist, dessen Begriff sein Sein in sich schließt, nachdem er in die schlechte Form des formalen Schlusses, nämlich in die Form jenes Beweises herabgesunken, endlich der Kritik der Vernunft und dem Gedanken, daß sich das Dasein nicht aus dem Begriffe herausklauben lasse, unterlegen ist.' Unüberwindlich ... wird allerdings die Schwierigkeit, im Begriffe überhaupt und ebenso im Begriffe Gottes das Sein zu finden, wenn es ein solches sein soll, das im Kontexte der äußern Erfahrung oder in der Form der sinnlichen Wahrnehmung wie die hundert Taler in meinem Vermögenszustande nur als ein mit der Hand, nicht mit dem Geiste Begriffenes, wesentlich dem äußern, nicht dem innern Auge Sichtbares vorkommen soll, - wenn dasjenige Sein, Realität, Wahrheit genannt wird, was die Dinge als sinnliche, zeitliche und vergängliche haben' (Hegel, Wissenschaft der Logik II, 353, 355).

10 Vgl. J. Manzana, a.a.O. 171 ff.

11 Diese Aussage über den metaphysischen Idealismus' gilt ebenso (seinem Selbstverständnis nach) für den Feuerbachschen Materialismus, besonders den der Periode bis zum Wesen des Christentums".

12 Vgl. R. Lauth, Zur Idee 56, 106 f.

13 Ebd. 79.

14 Vgl. zum Ganzen die zitierten Arbeiten R. Lauths und die letzten Kapitel der Arbeit Manzanas. S. bes. den Verweis Lauths auf den philosophischen Ansatz Fichtes beim "Wahrheitssinn": Die Frage stellt sich dann aber so: wie begründet sich dieser Wahrheitssinn> Nach Fichtes Jenenser Vorlesungen ist das Auftreten desselben unbegreiflich: ,Irgendwoher, dir, und allen sterblichen Augen unsichtbar fällt ein Funke in dich, der dich gewaltsam ergreift, und dich in jener geheimnisvollen Weise leitet, ohne daß du weißt, wie du dahin gekommen bist.' Der Wahrheitssinn ist nichts anderes als der ausgebildete Wahrheitstrieb. Trieb' ist Fichtes Ausdruck für Wille; es ist die reinste Liebe der Wahrheit um ihrer selbst willen' - was allein uns auf den Weg der Philosophie bringt. Wer dieser Gesinnung nicht fähig ist, nicht fähig ist des Entschlusses: ich will zur Wahrheit hindurchdringen, es koste was es wolle ( ... ) der wird nie ( ... ) in der Philosophie Erfinder werden" (Zur Idee 79). Die einzig entscheidende Bedingung echter Philosophie ist, daß hier in allem Ernste vorausgesetzt wird: es gebe Wahrheit, die allein wahr sei, und alles Andere außer ihr unbedingt falsch; und diese Wahrheit lasse sich wirklich finden und leuchte unmittelbar ein, als schlechthin wahr" (ebd. 81). Auch der Entschluß Husserls zur Reduktion wäre in diesem Zusammenhang zu nennen (vgl. L. Landgrebe, Der Weg der Phänomenologie 192-206; H.-G. Gadamer, Die phänomenologische Bewegung). Wenn Husserl auch nicht die eigentliche Motivation für seine phänomenologische Reduktion als Schritt zur absoluten Wissenschaftsbegründung zu geben vermocht hat (vgl. oben S. 133 Anm. 7) und damit hinter Descartes wie Fichte zurückgeblieben ist, so ist bei ihm wenigstens der Stachel" der absoluten Wahrheitsidee wirksam und bewußt geblieben - was für die Weiterentwicklung der phänornenologischen Schule und ihrer existenzphilosophischen Spielart nicht allgemein behauptet werden kann. Man vergleiche etwa die Kritik E. Finks am cartesianischen Ansatz', die hier stellvertretend für mannigfache ähnliche Außerungen stehen mag: ,Auch ein methodischer Umsturz aller bisherigen Meinungen und Oberzeugungen, etwa im skeptisch-prüfenden Zweifelsversuch der cartesianischen Meditation, bringt uns noch nicht endgültig aus der übermächtigen Macht des Selbstverständlichen heraus; auch wer an allem' zweifelt und nichts' ungeprüft in Geltung belassen will, bewegt sich dabei vielleicht in unausdrücklich ihn gängelnden Leitvorstellungen: z. B. in Vorstellungen über alles und nichts. Die Philosophie entspringt immer in einer Daseinssituation, in welcher das Sein der Dinge und der Welt in einer vielgestaltigen Weise vorverstanden und je schon sprachlich ausgelegt ist' (Alles und Nichts 25). Hier steht nur noch die situationsgebundene Thematisierung der Wahrheitsfrage im Blick, nicht mehr ihr treibender Grund und Ursprung, die Idee absoluter Wahrheit, die sich einer Auflösung in eine bloße geschichtliche Situationsbestimmung durchaus verweigert.

15 Wie oben (S. 101) schon angedeutet, hängt die Einsicht des Selbstbewußtseins in seine Existenz und Wahrheit nicht am Zweifel als solchem. Entsprechendes gilt für die Einsicht in das Wesen der Transzendenz. Auch im Urteilen und Fragen kann sich die Erkenntnis der Transzendenz vollziehen, wie in der Maréchalschule grundsätzlich richtig aufgewiesen wurde - nur daß hier durch den retorsiven Ansatz das Moment der sich angesichts der Wahrheit verantwortenden Freiheit verdeckt wird, vgl. u. S. 145 f.

16 Für eine transzendentalphilosophische Erhellung des Verhältnisses von Endlichkeit Unendlichkeit in der Erkenntnis des Sollens wäre vor allem eine Gegenüberstellung des Fichteschen und des Hegelschen Denkens erforderlich - was hier nicht angestrebt werden kann. (Vgl. etwa das 2. Kap. des 1. Buches, Abschn. 1, der Hegelschen Logik, wo Hegel gerade in der Abweichung des Begriffs des Sollens von der Kantischen und Fichteschen Philosophie' [Wissenschaft der Logik 1, 124] zu seiner dialektischen Bestimmung von Endlichkeit und Unendlichkeit kommt.)

17 Vgl. o. S. 104 f.

18 La découverte 223.

19 "Tyrann" steht hier für den Begriff einer absoluten Verschlossenheit der subsistierenden absoluten Wahrheit im Hinblick auf eine absolut gültige Selbstverwirklichung des Ich in seinem Nicht-Ich angesichts dessen bleibender Bestimmtheit zu absoluter Wahrheit. Vgl. die Schilderung des "Mythos von Sisyphos" bei A. Camus: So sehen wir nur, wie ein angespannter Körper sich anstrengt, den gewaltigen Stein fortzubewegen, ihn hinaufzuwälzen und mit ihm wieder und wieder einen Abhang zu erklimmen; wir sehen das verzerrte Gesicht, die Wange, die sich an den Stein schmiert, sehen, wie eine Schulter sich gegen den erdbedeckten Koloß legt, wie ein Fuß ihn stemmt und der Arm die Bewegung aufnimmt, wir erleben die ganz menschliche Selbstsicherheit zweier erdbeschmutzter Hände. Schließlich ist nach dieser langen Anstrengung (... ) das Ziel erreicht. Und nun sieht Sisyphos, wie der Stein im Nu in jene Tiefe rollt, aus der er ihn wieder auf den Gipfel wälzen muß' (Der Mythos von Sisyphos 99).

20 "Mögliche Offenbarung" heißt hier: die grundsätzliche Offenheit der subsistierenden absoluten Wahrheit im Hinblick auf eine absolut gültige Selbstverwirklichung des Ich in seinem Nicht-Ich.

21 Vgl. die Einwände, die J. Maréchal gegen die Deduktion wahrer Erkenntnis bei Descartes vorbringt: Précis 70; Cah. II 65 f.


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