§ 2. Der auf sich selbst reflektierte Zweifel: "cogito/sum" (1)

2.1 Vorbemerkungen

Der radikale Rückgang auf das Subjekt als letztgültigen Wirklichkeitsgrund findet sich wohl erstmals bei Augustinus (2). Descartes verwendet ihn in ähnlicher Form als erster zur systematischen Grundlegung der Philosophie [Philo-

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sophie (3)]. Wir wollen ihm in der Gestalt nachgehen, die Husserl ihm in der ersten seiner "Cartesianischen Meditationen" gegeben hat, weil er hier gegenüber den philosophiegeschichtlich früheren Ansätzen in einer schärfer durchreflektierten transzendentalen Begrifflichkeit erscheint (4).

2.2 Überblick über die erste "Cartesianische Meditation" Husserls

Nach einigen vorbereitenden Erklärungen zu der Idee einer absoluten Begründung von Wissenschaft (48-50) kommt Husserl zur Bestimmung dieser Idee als der Forderung nach Evidenz (51 ff.). Diese Forderung stellt sich - soll "die Idee der echten Wissenschaft in den Gang der Verwirklichung" gebracht werden können - als die nach einem absoluten Anfang dar (54). Die Forderung nach Evidenz muß präzisiert werden als die nach "einer apodiktischen und an sich ersten Evidenz" (55). Während jede Evidenz Selbsterfassung eines Seienden in zweifelsfreier Gewißheit ist, nicht aber ausschließt, daß das Evidente hernach doch zweifelhaft werden könnte, hat eine "apodiktische Evidenz ... die ausgezeichnete Eigenheit, daß sie nicht bloß überhaupt Seinsgewißheit der in ihr evidenten Sachen oder Sachverhalte ist, sondern sich durch eine kritische Reflexion zugleich als schlechthinnige Unausdenkbarkeit des Nichtseins derselben enthüllt; daß sie also im voraus jeden vorstellbaren (5) Zweifel als gegenstandslos ausschließt" (56).

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Auf der Suche nach einer ersten Evidenz dieser Art enthüllt sich zunächst die Existenz der Welt als nicht in dieser Weise evident. "Nicht nur daß Einzelerfahrenes die Entwertung als Sinnenschein erleiden kann, auch der jeweils ganze, einheitlich überschaubare Erfahrungszusammenhang kann sich als Schein erweisen unter dem Titel zusammenhängender Traum" (57) (6).

Durch die transzendental-phänomenologische Reduktion wird die Welt allerdings nur ihrem Seinsanspruch nach "eingeklammert", nicht jedoch als Seinsphänomen außer Kraft gesetzt (58 ff.). Das so gewonnene Bewußtsein von der Welt - gegeben mit dem "reinen ego" und dem "reinen Strom meiner cogitationes" (61) - bildet den transzendentalen Boden, von dem her erst etwas über die Seinsgeltung der Welt ausgemacht werden kann (60).

Was aber bleibt nach der Epoché von jeder nicht-apodiktischen Evidenz als apodiktisch evident erhalten? "Daß das 'ego sum', bzw. 'sum cogitans' apodiktisch auszusprechen ist, daß wir also einen ersten apodiktischen Seinsboden unter die Füße bekommen, das hat bekanntlich schon Descartes gesehen, er betont ja die Zweifellosigkeit des Satzes und daß selbst ein 'Ich zweifle' schon das 'Ich bin' voraussetzen würde" (61).

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In welchem Sinne ist dieses "Ich bin" apodiktisch gewiß? Die schwierige Frage, inwieweit der "reine Strom der cogitationes" (mit der Welt als Seinsphänomen) in diese Apodiktizität mit einbegriffen ist, wollen wir erst später anschneiden (7). Hier soll zunächst nur die Abgrenzung Husserls gegenüber möglichen Mißverständnissen des transzendentalen Ichs interessieren.

Es handelt sich hierbei nicht um eine "substantia cogitans" (wie Descartes annahm), um ein gerettetes "Endchen der Welt" (aus dem man dann "durch recht geleitete Schlußfolgerungen nach den dem ego eingeborenen Prinzipien die übrige Welt hinzuerschließen" könne [63]). Das transzendentale Ich darf auch nicht psychologisch mißverstanden werden, als ob wenigstens die objektiv apperzipierten Tatsachen der inneren Erfahrung damit in ihrer Seinsgeltung gegeben wären. Vielmehr setzt sich das meditierende Ich "ausschließlich als Geltungsgrund aller objektiven Geltungen und Gründe" (64 f.) (8).

Nach diesem vorläufigen Überblick über den Inhalt der ersten "Cartesianischen Meditation" gilt es nun, ihren Ertrag im Hinblick auf unsere Frage nach der kritischen Begründung von Philosophie ins Auge zu fassen. Diese Aufgabe hat ihre Schwierigkeit besonders darin, daß Husserl - jedenfalls nach der Auskunft Th. Seebohms - sich "niemals spekulativ interpretiert" hat (9). Wenn er Begriffe wie "Sein" verwendet, wird man sich also hüten müssen, ihnen einen metaphysischen Sinn zu unterlegen, den sie nicht haben.

2.3 Das "Ich bin" als absoluter Wirklichkeitsboden bei Husserl

In jüngster Zeit haben sowohl E. Coreth als auch H. Holz - mit je verschiedener Intention - behauptet, daß Husserls Reduktion auf das transzendentale Ich nicht zu einem An-sich-sein im ontologischen Sinne führe.

E. Coreth stellt fest, daß Husserl "die reale Existenz ... auch des eigenen Ich ausschaltet" (10). Die Phänomenologie sehe ab vom "realen und aktuellen Selbstvollzug des Ich" und sei "darum reine Wesensphilosophie, nicht aber Seinsmetaphysik, weil sie das Sein, nachdem sie es anfangs methodisch ausschaltet, auch nie mehr erreichen kann" (11). Husserl klammere "reale Existenz oder An-sich-Sein" aus, und zwar auch die Existenz des eigenen Ich im Vollzug" (12). Im Anschluß an Augustinus, Descartes und J. de Vries will Coreth selbst von dem "unmittelbaren Bei-sich-Sein" und "unaufhebbar gültigen An-sich-Sein" ausgehen, das unzweifelhaft in jedem Selbstvollzug des Ich gegeben sei, von einem Punkt, wo "Sein und Wissen in unmittelbarer Identität zusammenfallen" (13).

H. Holz stellt demgegenüber fest, daß Husserl mit Recht jedes ontologische Verständnis des durch die phänomenologische Reduktion gewonnenen transzendentalen Subjekts abgelehnt habe. Coreth falle hier wie Descartes in eine vorkritische Interpretation des "cogito/sum" zurück. Husserl stimme hierin mit der Auffassung Maréchals überein, der für das "cogito/sum"eine "unzerstörbare Evidenz, also unbedingte Gültigkeit ... nur in der phänomenalen Ordnung" anerkannt habe (14). Die universale Epoché gebe nach Husserl "nur den Weg frei ... für die Einsicht in die unausweichliche und originäre Selbstsetzung der Subjektivität, die sich selbst als mit apodiktischer Evidenz gegeben erfaßt, so, daß jede Bezweiflung widersinnig wird, was für das Sein des Gedachten ebenso wie für das Sein des Ego-Pols gilt" (15). Hierzu sagt Holz dann: "Das Sein, das so gewonnen wird, ist freilich noch nicht ein ontologisches An-sich-Sein. Es bleibt vorerst in der Sphäre des Phänomenalen. Erst durch eine weitere Schlußfolgerung läßt sich eine Sphäre des An-sich-Seins (aber noch kein einzelnes An-sich-Seiendes) aufweisen" (16).

Versteht Coreth unter "realer Existenz" und "An-sich-Sein" des transzendentalen Ich eine wie immer geartete "Substantialität" oder eine psychologische Charakterisierung des "ego cogito" als "mens sive animus sive intellectus" (17), dann besteht seine Feststellung gegenüber Husserl zu Recht, ebenso aber die von Holz, daß Coreths Aussagen, transzendental gesehen, als vorkritisch zu bewerten sind. Wenn Coreth auch deutlich das erstere (die Betrachtung des Ich als Substanz) ausschließt, so scheint er der Gefahr [Ge-

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fahr] einer Ontologisierung des Ich als eines letzten geretteten "Endchens der Welt" nicht entgangen zu sein - einmal durch eine zu starke Anlehnung seiner Begrifflichkeit an "die neuere Erkenntniskritik, besonders bei J. de Vries" (18), besonders aber dadurch, daß er mit dem "unaufhebbar gültigen An-sich-Sein" des "ego cogito" den "Horizont objektiv und absolut gültigen An-sich-Seins überhaupt garantiert" sieht (19).

Versteht er - wie Holz - An-sich-sein aber als Gegensatz zu "bloß phänomenal", dann geht seine Feststellung an den Aussagen Husserls vorbei. Die Apodiktizität des "Ich bin" geht für Husserl sicher über eine bloße Phänomenalität hinaus, und in diesem Sinne darf man durchaus von einer ontologischen Qualifizierung des transzendentalen Subjekts bei ihm sprechen.

Wir wollen dies zunächst am Textbefund nachzuweisen suchen ("quaestio facti"), um damit auf die schwierigere (und uns hier letztlich bestimmende) Frage überzuleiten, ob tatsächlich mit dem cartesianischen Ansatz Husserls ein absoluter Boden von "An-sich-sein" zu gewinnen ist ("quaestio iuris").

Um die Aussagen Husserls richtig bewerten zu können, wird man - vor einer bloßen Aneinanderreihung von den in seinem Werk weitverstreuten Textbelegen" für eine "ontologische Charakterisierung" des transzendentalen Ich - nach der Husserl in seinem cartesianischen Meditieren leitenden Frage zu suchen haben. Wie oben schon angedeutet, war es die Forderung einer absoluten Wissenschaftsbegründung, die Husserl zur Frage nach "einer apodiktischen und an sich ersten Evidenz" (20) als dem absoluten Geltungsgrund von Wissenschaft führte. Diese Frage nach der Evidenz eines absoluten Geltungsgrundes ist für ihn aber die Frage nach der Evidenz von apodiktisch gültiger Existenz (zum Unterschied etwa von der neukantianischen Frage nach einem bloßen Geltungsgrund). Das zeigt deutlich schon sein Zugang zur phänomenologischen Reduktion: "Die Frage nach an sich ersten Evidenzen scheint sich ohne Mühe zu erledigen. Bietet sich als eine solche nicht ohne weiteres die Existenz einer Welt?" (21) Wenn Husserl dann die Evidenz des Daseins von Welt der Epoché unterwirft und Welt in dieser Reduktion nur als Seinsphänomen betrachtet, um so auf die absolut erste und "apodiktische Evidenz vom Sein der transzendentalen Subjektivität" zu stoßen, so ist doch schon aus der Fragestellung klar, daß diese Seinsaussage über das transzendentale Ich von Husserl als absolut gültiges Existenzurteil verstanden

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wird. Das Ich erweist, indem es die Stimmenthaltung über eine Seinsgeltung der Welt vollzieht (Welt auf das Phänomen von Welt reduziert), sich selbst als von evident anderer Seinsgeltung.

Daß Husserl mit diesem "Ich bin" eine Existenzaussage treffen will, mögen einige weitere Stellen verdeutlichen. In der ersten "Cartesianischen Meditation" selbst steht: "Das Wirklich-sein des an sich ersten Erkenntnisbodens steht demnach ... absolut fest ... " (22).

"... ich und mein Leben (bleiben) in meiner Seinsgeltung unberührt... wie immer es mit Sein und Nichtsein der Welt stehen ... mag" (23).

Diese Aussage kann ja schon deshalb nicht nur die Geltung eines Seinsphänomens meinen, weil das Phänomen der Welt von der Reduktion nicht betroffen wird.

Besonders deutlich ist der folgende Text: "Andererseits bleibt es dabei, daß das Nichtsein der Welt meine absolute Existenz nicht stört und daß das Ich-bin eine von Existenz und Nichtexistenz unabhängige Evidenz hat" (24). In diesem Sinne sind dann auch alle anderen, formal ähnlichen Aussagen zu lesen, auch wenn das Wort "Existenz" nicht eigens gebraucht wird (25).

2.4 Die Problematik des "transzendentalen Ich" gemäß der Kritik J. Maréchals

Abgesehen von dem zu Unrecht gemachten Verweis auf Husserl, hat sich H. Holz für die gegenüber Coreth ausgesprochene Feststellung, daß mit

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dem cartesischen Zweifel eine unbedingte Gültigkeit des "Ich bin" nur in der phänomenalen Ordnung erreicht sei, vor allem auf J. Maréchal berufen, dessen Kritik an dem Ansatz Descartes' darin gipfelt, daß das "cogito/sum" nur als eine "realitas phaenomenon", nicht als eine "realitas noumenon" evident sei (26). Auf diese Maréchalsche Argumentation wollen wir nun ausführlicher eingehen, um der Klärung des Problems selbst näherzukommen.

Nach der Wiedergabe des cartesischen Gedankengangs gibt Maréchal in seinem Hauptwerk zunächst zu: "Dans l'ordre phénoménal, cogito, sum, c'est évident" (27), bringt dann aber drei Einwände:

"Mais l'existence de la pensée dans l'ordre ontologique?

Mais la subsistance de la pensée ou de l'être pensant?

Mais l'unité du moi pensant?" (28)

Hier interessiert uns unmittelbar nur der erste Einwand, mit dem allerdings der dritte, wie sich zeigen wird, eng zusammenhängt. Den zweiten Einwand können wir übergehen, da wir vom cartesianischen Argument in der Husserlschen Fassung ausgegangen sind.

Daß für die ontologische Valenz des "cogito/sum" noch keine zweifellose Evidenz erreicht sei, erläutert Maréchal wie folgt:

"... je puis toujours douter, au moins provisoirement, de la signification ontologique d'une apparence, non de l'apparence comme apparence" (29).

"... je puis pourtant douter (sc. an meiner Existenz qua realitas noumenon) sans tomber dans une contradiction flagrante" (30).

Der Zweifel mag unsinnig sein, "mais est-il impossible? se détruit-il soimême? Voilà ce qu'il faudrait démontrer pour extirper radicalement le doute" (31).

Diese wenigen Zitate machen schon genügend deutlich, daß Maréchal den Satz "cogito/sum" nur als einen Sachverhalt nach der Art von anderen empirisch gegebenen Gegenständen, auf den sich je neu wieder ein Zweifel richten kann, ins Auge faßt. Das "cogito" als das reflektierte Objekt des Zweifels erscheint hier nur als ein "cogitatum". Dann würde allerdings folgen, daß ich - wie bei allen "cogitata" - reflexiv zwischen einer

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"signification ontologique d'une apparence" und der "apparence comme apparence" unterscheiden und die erstere "in Klammern setzen" kann (32). Nach der Einsicht Descartes' ist allerdings zu sagen, daß der Zweifel am "Ich denke" "sich selbst zerstört". Diese Einsicht ist jedoch so ursprünglich und ohne Analogie im gegenständlichen Bereich, daß sie so lange notwendig verdeckt bleibt, wie sich das Denken nicht von den - immer erst sekundären - Objektivationen der Dinge wie seiner selbst auf sich selbst zurückwendet und seiner eigenen Helle bewußt wird, die als die Möglichkeitsbedingung aller objektivierenden Reflexion auf das "Ich denke" und aller Reduktion auf "bloße Erscheinung" zugrunde liegt.

Es ist wohl richtig, daß es nicht der Zweifel als solcher ist, dem das Denken diese Gewißheit seiner selbst verdankt. Der Zweifel an allem und schließlich auch an der Gewißheit des "cogito/sum" ist noch durchaus im objektivierenden Denken befangen. Es liegt also nicht an ihm, wenn er plötzlich innehält und sich selbst in die unbedingte Affirmation: "cogito sum" aufhebt, sondern an der Helle des Bewußtseins selbst, das sich als den vollziehenden Möglichkeitsgrund allen Zweifelns einsieht.

An sich dürfte J. Maréchal eine solche originäre Einsicht nicht fremd sein. Wenn er sich zur Sicherung eines absoluten Geltungsbodens auf die "Retorsion" stützt (33), so kann er dies doch nur aufgrund einer ähnlichen Einsicht tun. Der Zweifel "an aller Wahrheit" kommt auch so lange nicht zum "Stillstand", wie er im bloß objektivierenden Denken befangen bleibt. Erst wenn das Denken sich selbst als das Setzen von Wahrheit und damit als wahr vor aller Übereinstimmung von Sache und Verstand einsieht (und das bedeutet: wenn es den zunächst konzipierten Wahrheitsbegriff des objektivierenden Denkens aufgibt), hat der Skeptizismus sich selbst überwunden.

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Die Hintergründe für diese Kritik Maréchals werden deutlicher, wenn wir einige Passagen aus der späteren Auseinandersetzung Maréchals mit Kants Auffassung vom transzendentalen Ich hinzunehmen (34). Dies wird uns zugleich tiefer in die grundsätzliche Problematik um die Bestimmung des transzendentalen Ich hineinführen.

Kant sagt in der zweiten Auflage seiner "Kritik der reinen Vernunft":

 

"Dagegen bin ich mir meiner selbst in der transzendentalen Synthesis des Mannigfaltigen der Vorstellungen überhaupt, mithin in der synthetischen ursprünglichen Einheit der Apperzeption, bewußt, nicht wie ich mir erscheine, noch wie ich an mir selbst bin, sondern nur daß ich bin. Diese Vorstellung ist ein Denken, nicht ein Anschauen. Da nun zur Erkenntnis unserer selbst außer der Handlung des Denkens, die das Mannigfaltige einer jeden möglichen Anschauung zur Einheit der Apperzeption bringt, noch eine bestimmte Art der Anschauung, dadurch dieses Mannigfaltige gegeben wird, erforderlich ist, so ist zwar mein eigenes Dasein nicht Erscheinung (viel weniger bloßer Schein), aber die Bestimmung meines Daseins kann nur der Form des inneren Sinnes gemäß nach der besonderen Art, wie das Mannigfaltige, das ich verbinde, in der inneren Anschauung gegeben wird, geschehen, und ich habe also demnach keine Erkenntnis von mir wie ich bin, sondern bloß wie ich mir selbst erscheine" (35).

 

Kant spricht hier offenbar das "cogito/sum" als ein Existenzurteil aus. Maréchal sieht sehr deutlich, daß hiermit ein An-sich-sein in noumenaler, nicht phänomenaler Ordnung behauptet ist. Er stellt fest, daß die einzige Bestimmung dieser Existenz, die Kant auf der Ebene des reinen Selbstbewußtseins anzugeben vermag, der transzendentale Akt der Synthesis ist - "ich existiere als Intelligenz, die sich lediglich ihres Verbindungsvermögens bewußt ist" (36). Es erhebe sich hier aber die Frage, wie man aus dem bloßen Bewußtsein des Denkens als "Synthesis a priori" zu einem Existenzurteil kommen könne.

Gehe man wie Kant von dem phänomenalen Objekt aus und stoße man in der Analyse der Möglichkeitsbedingungen schließlich auf die transzendentale Apperzeption des "Ich denke" als oberste Möglichkeitsbedingung der Einheit der Bewußtseinsphänomene, so bewege man sich immer noch in der logischen Ordnung.

"... en admettant même que l'identité du 'je', comme indice apperceptif universel, est analytiquement donnée dans la relation primitive qui se noue entre les éléments conscients en tant que conscients... comment prouver

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critiquement; qu'à cette unité abstraite, unité logique d'objet, doive nécessairement correspondre l'unite' fonctionnelle primitive d'un 'sujet' transcendantal, sommet absolu dans l'échelle des conditions à priori constitutives d'objet? Lorsqu'on remonte du donné empirique vers l'objet, l'unité synthétique requise pour l'objectivation (pour l'universalisation du donné) semble réalisée déjà au niveau des catégories: le moi transcendantal, conçu, par delà les catégories, comme spontanéité originaire, comme suprême condition à priori, unique et inconditionnée, pourrait, à la rigueur, n'être rien en soi qu'une interprétation problématique, en termes subjectifs, de l'unité abstraite de la conscience comme telle (du 'Bewußtsein überhaupt'); quelque chose comme la limite idéale, irréelle, de la convergence des fonctions catégoriales, - un 'transzendentale(r) Schein', un analogue illusoire de l'unité logique. Dans ce cas, l'unité transcendantale du moi comme sujet, comme cime fonctionnelle de la conscience, pourrait-elle, si elle existe, s'imposer à notre conscience autrement qu'en sorte d'intuition primitive du moi par lui-même? Faut-il interpreter ainsi la perception métasensible - que nous attribuait Kant ... - de l'existence du 'je pensant' en tant que suprême 'faculte' de synthèse'?" (37)

 

Diese letztere Annahme einer geistigen Selbsterfassung, einer Intuition, würde Kant aber in die Gesellschaft Fichtes und Hegels bringen. "Sur le plan même du 'je pense' (à l'exclusion du plan de la 'chose' et des phénomènes) le 'je suis', essence et existence tout ensemble, se glisserait ici dans la philosophie transcendantale" (38).

Diese idealistische Interpretation Kants sei aber nicht auf dem Boden der "Kritik der reinen Vernunft" möglich. In der Auseinandersetzung mit dem "opus postumum" Kants kommt Maréchal zum gleichen Ergebnis. Eine "objektive Seinsgeltung" (valeur existentielle objective) des "Ich bin" könne nur behauptet werden, wenn entweder "une 'intuition intellectuelle' (que nous n'avons point)" oder "une preuve exclusivement analytique de l'existence (qui serait un paralogisme)" (39) vorausgesetzt würde. Kant sei sich aber darin treu geblieben, daß er beides ablehnt.

Inwieweit die Kritik Maréchals an Kant zu Recht besteht, braucht in diesem Zusammenhang nicht untersucht zu werden (40). Jedenfalls hat Maréchal richtig gesehen, daß der Satz "Ich bin" entweder aufgrund einer "intuition", einer "geistigen Anschauung" eingesehen wird oder aber keine zweifelsfreie Gewißheit von An-sich-sein, von Existenz für sich beanspruchen darf (41).

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2.5 Die grundsätzliche Problematik der Bestimmung des "transzendentalen Ich" und der objektiven Wahrheitssetzung aufgrund des "cogito/sum"

An den oben zitierten Text aus der "Kritik der reinen Vernunft" (42) hatte Maréchal die Bemerkung angeschlossen:

"...on se demande comment pourrait être perçue une existence dépouillée de toute détermination 'essentielle', directe ou indirecte, positive ou négative. Pour savoir que je suis, ne dois-je pas savoir, si confusément que ce soit, ce que je suis, - assez du moins, pour discerner, dans l'existence, le moi du non-moi?" (43)

Und vor der oben angeführten Kritik an einer Aussage über das "Ich denke" als "Synthesis a priori" auf der Ebene von Existenz hatte Maréchal die Frage gestellt.

"Mais cette conscience de la synthèse à priori (au sens actif du mot 'synthèse') suffit-elle pour tracer une démarcation entre le moi et le non-moi, et pour ramener au moi l'ensemble des phénomènes du sens intime?" (44)

Hiermit hat Maréchal das eigentliche Problem angeschnitten, das sich dann erhebt, wenn man einerseits an einem ontologischen Verständnis des 'cogito/sum' festhält, andererseits eine "phänomenologische Reduktion" in strengster Konsequenz vollzieht. Bleibt dieses transzendentale "Ich bin" nicht völlig unbestimmt und inhaltsleer, da jede konkrete Bestimmung des Ich nur vom Nicht-Ich her gesetzt werden kann, von der Seinsgeltung des Nicht-Ich aber gerade abgesehen wurde? Wie kann ein so unbestimmtes An-sich aber noch als Ich bestimmt sein? Behält man aber andererseits das "cogito" in seiner ganzen Konkretheit im Blick als die Fülle des Bewußtseins, in dem auch nach der Epoché von der Seinsgeltung des Gegebenen das Gegebene in seiner ganzen Inhaltlichkeit erhalten bleibt, so befindet man sich hiermit noch auf der bloß phänomenalen [phänome-

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nalen] Ebene - und wie ist von hierher der Schritt in die Ontologie ohne einen "Paralogismus" möglich?

Die Frage nach einer - nicht nur für das natürliche Bewußtsein, sondern auf der Ebene transzendental-phänomenologischer Reduktion - gültigen Bestimmung des "cogito /sum" und eng damit zusammenhängend die Frage nach der möglichen Einheit von transzendentalem und empirischem Ich (45) erweist sich somit nur als ein Unterproblem der Geltungsbegründung auf dem Boden cartesianischer Reflexion überhaupt. Wenn Seinsgeltung nur auf dem Boden absolut gültiger Existenz zu ermitteln ist - und hierin weist der "cartesianische" Ansatz Husserls durchaus eine Analogie zu dem Descartes' und Fichtes einerseits, dem der transzendentalphilosophisch orientierten Scholastik der Maréchalschule andererseits auf, die alle insofern als "metaphysische" Ansätze zu bezeichnen sind, als sie das Geltungsproblem zwar in transzendentaler Methode, aber als Frage nach geltender Wirklichkeit angehen -, die apodiktische Evidenz des "Ich bin" aber in transzendentaler Epochè völlig unbestimmt bleiben muß, wie kann von hierher der "Umschlag" in eine Aussage von Seinsgeltnng über den Bereich erfolgen, der mir - in phänomenologischer Reduktion nur phänomenal, also abgesehen von Seinsgeltung (46) zugänglich ist?

Diese grundlegende Schwierigkeit für die Phänomenologie hat J. Maréchal richtig erkannt (47). Husserl selbst, der einerseits streng an der cartesischen Intuition des "cogito/sum" festhält (ohne in den Ontologismus des Cartesius zu fallen), andererseits den Kantischen Ausgang von der Analyse des Objekts auf seine transzendentalen Möglichkeitsbedingungen übernimmt (in dem Bewußtsein, daß die transzendentale Analyse des faktischen Objekts allein noch nicht zur absoluten Begründung von Wissenschaft ausreicht), dürfte um diese Problematik sehr wohl gewußt haben (48). Hier liegt meines Erachtens auch der tiefere Grund für das

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Schwanken Husserls zwischen einem rein cartesianischen Ansatz und einem Zugang zur Phänomenologie, der - vor der eigentlichen Reduktion und zur Wissenschaftsbegründung selbst unumgänglich - eine Auslegung der natürlichen Subjektivität für nötig erachtet (49).

In der ersten "Cartesianischen Meditation" - von der unsere Betrachtung ausgegangen war -, drückt sich diese Problematik in der (gegenüber dem Wortgebrauch in der "Ersten Philosophie" neuen) Unterscheidung zwischen "apodiktischer" und "adäquater" Evidenz (50) aus.

"... die apodiktische Gewißheit der transzendentalen Erfahrung (betrifft) mein transzendentales Ich bin in der ihm anhaftenden unbestimmten Allgemeinheit eines offenen Horizontes. Das Wirklichsein des an sich ersten Erkenntnisbodens steht demnach zwar absolut fest, nicht aber ohne weiteres das, was sein Sein näher bestimmt, und was während der lebendigen Evidenz des Ich bin noch nicht selbst gegeben, sondern nur präsumiert ist. Diese in der apodiktischen Evidenz mit implizierte Präsumption untersteht also hinsichtlich der Möglichkeiten ihrer Erfüllung der Kritik ihrer ev. apodiktisch zu begrenzenden Tragweite. Wie weit kann das transzendentale Ich sich über sich selbst täuschen und wie weit reichen die absolut zweifellosen Bestände trotz dieser möglichen Täuschung" (51).

Nehmen wir eine Stelle aus der "Krisis" hinzu.

"Also mein gesamtes erfahrendes, denkendes, wertendes und sonstiges Aktleben verbleibt mir, und es läuft ja auch weiter, nur daß das, was mir darin als 'die' Welt, als die für mich seiende und geltende vor Augen stand, zum bloßen 'Phänomen' geworden ist ... Hier hätten wir also eine absolut apodiktische, in dem Titel ego mitbeschlossene Seinssphäre, und nicht etwa bloß den einen axiomatischen Satz 'ego cogito' oder 'sum cogitans'" (52).

Schon aus diesen kurzen Texten wird deutlich, wie sehr ein aus methodischen Gründen unternommener transzendentaler Idealismus stets in der Gefahr ist, in einen dogmatischen metaphysischen Idealismus abzugleiten (53). Eine zureichende Kritik des husserlschen Versuchs der Geltungsbegründung [Geltungs-

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begründung] könnte nur in einer eingehenden Auseinandersetzung mit dem Gesamtwerk Husserls unternommen werden. Im Zusammenhang unserer Frage nach dem Ertrag des - im methodischen Zweifel gesicherten "cogito/sum" für eine Grundlegung von Philosophie können wir statt dessen hier nur versuchen, in aller Kürze die möglichen Konsequenzen aus den bisherigen Überlegungen zu bedenken.

Die apodiktische Evidenz des Existenzurteils "Ich bin" als eines letzten, in transzendentaler Methode zu erreichenden Geltungs- und Wirklichkeitsbodens und die auf das Bewußtseinsphänomen reduzierte Gegebenheit von "Welt" vorausgesetzt, ergeben sich die eng zusammenhängenden Fragen nach der Bestimmung des transzendentalen Ich und der Begründung von objektiver Geltung. Was ist mit der Feststellung eines in diesem "cogito" gegebenen offenen - aber völlig unbestimmten - "präsumptiven Horizontes" erreicht?

Die Selbstbestimmung des Ich und die Begründung von objektiver (d. h. über die Geltung des reinen transzendentalen Ich hinausgehender) Geltung ist nicht anders möglich, als indem das Ich sich objektiviert, ein Nicht-Ich setzt. Das "cogito/sum" ist zwar als absolut gültig gewiß. Im "cogito/sum" ist damit ein letzter Geltungsboden evident, der einzige, auf dem Geltung überhaupt stehen kann. Was dieses "Ich bin" aber bedeute, was anderes noch als dieses Ich Seinsgeltung habe, dies ist nicht mehr aufgrund jener originären "Intuition" unmittelbar gegeben. Zur Setzung des Nicht-Ich muß das Denken weitere Geltung beanspruchen, als es in der unmittelbar apodiktischen Selbsterfahrung hat.

Hier scheinen nun grundsätzlich nur zwei Wege möglich zu sein - will das Denken nicht gänzlich den Anspruch auf absolute Geltung und damit sich selbst aufgeben, indem es in den Skeptizismus zurückfällt. Entweder das Ich entwirft sich zu einem metaphysischen Idealismus, indem es die absolute Gültigkeit des unbestimmten "cogito/sum" mit dem absoluten Sein verwechselt, das den "präsumptiv offenen, aber unbestimmten Horizont" aus sich heraus zu füllen vermag - wobei das Ich seine Faktizität vergißt und den Ort der originären Selbstgewißheit, die Zweifelsfrage als Nichtwissen um die Seinsgeltung des anderen wie der eigenen Bestimmtheit.

Oder aber es erkennt die Differenz zwischen der in aller Faktizität absoluten Gültigkeit des "cogito/sum" und einem "absoluten Ich", als dessen Erscheinung ihm erst Seinsgeltung gewiß sein kann. Dies kann das (in aller Faktizität absolut gültige) Ich aber nur, indem es zugleich die absolute [abso-

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lute] Seinsgeltung eines Nicht-Ich anerkennt als unabdingbar für die Bestimmung des Denkens - denn das Ich bin" ist nicht das absolute Ich, als dessen Erscheinung es Seinsgeltung weiß. Haben wir das erste einen "metaphysischen Idealismus" genannt (der "dogmatisch" ist, weil das Denken "mit völliger Abstraktion von seiner Faktizität sich selbst eben schlechthin setzt und sich über dieses sein absolutes Setzen der weiteren Rechenschaft entbindet" (54)), so werden wir das zweite einen "metaphysischen Realismus" nennen und zusehen müssen, ob nicht auch dieser "dogmatisch" ist. "Dogmatisch" und die gewonnene Einsicht, daß das "cogito/sum" der letzte absolute Boden von Seinsgeltung ist, zerstörend wäre dieser Realismus dann, wenn das Denken das Nicht-Ich als objektivierten Gehalt begriffe und diesen als "absolutes Faktum" sich gegenüberstellt (55). Ein Nicht-Ich als bloßes An-sich kann niemals der Grund für die Wahrheit des Denkens sein, in der allein Seinsgeltung möglich ist.

Wie die um einer möglichen gültigen Seinsbestimmung nötige Anerkenntnis der Differenz zwischen faktisch-absolutem Ich und absolutem Ich als Entwurf eines das Denken des faktisch-absoluten Ich bestimmenden Nicht-Ich durchzuführen ist - wie ein "foras ire" als die Wendung des Ich zum anderen (neutral) verstanden werden soll, wenn die Wahrheit als "interior intimo meo" begriffen werden muß (um mit diesen Formulierungen auf das erstmalige Bedenken der Problematik dieses Paragraphen zurückzuweisen) (56) -, für die Lösung dieser Frage bietet der methodische Ansatz des universalen Zweifels selbst keine Handhabe. Die positive Anerkennung eines anderen als Grund gültiger Seinsbestimmung könnte nur in der grundsätzlichen Aufhebung des "Zweifels an allem" erfolgen.

Der universale methodische Zweifel scheint also bei konsequenter Anwendung in seine Selbstaufhebung zu führen - ob das Denken nun bei einem inhaltsleeren "cogito/sum" stehenbleibt, die Frage bestimmter Geltung auf sich beruhen läßt und damit der ursprünglichen Intention methodischer Geltungsreflexion widerspricht; ob es in einen dogmatischen metaphysischen Idealismus verfällt und damit die Faktizität des Denkens überspringt, die den universalen Zweifel begründet; oder ob es in der positiven Anerkennung eines anderen den Zweifel an allem aufgibt. Diese Paradoxie kann kritisch nur überwunden werden, indem die kritische Ausgangsposition - der methodische Zweifel selbst - noch einmal auf die Bedingungen ihrer Möglichkeit hin befragt wird. Dies soll im zweiten Kapitel dieses Abschnitts geschehen.

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Zuvor wird aber noch ein anderer Weg methodisch-kritischer Geltungsbegründung ins Auge gefaßt werden müssen. Bisher hatten wir nicht nur festgestellt, daß es dem Denken aufgrund der ursprünglichen Evidenz "cogito/sum" allein nicht möglich ist, eine bestimmte Seinsgeltung zu rechtfertigen; wir hatten schon mit der Feststellung dieser ursprünglichen Evidenz selbst ein Seinsgeltung beanspruchendes Urteil vollzogen. So sehr man auch an der Möglichkeit der Rechtfertigung von Seinsgeltung durch den Verweis auf unmittelbare Evidenz festhalten mag; die Behauptung von Evidenz ist jedenfalls ein Wahrheitsanspruch. Wie aber ist damit dem Skeptiker zu begegnen, der an der Möglichkeit gültiger Affirmation überhaupt zweifelt?

ANMERKUNGEN

1 Durch diese Schreibweise (vgl. R. Lauth, Zur Idee der Transzendentalphilosophie, passim, bzw. J. Maréchal, Précis 66; "cogito-sum") soll von vornherein dem Mißverständnis gewehrt sein, es handele sich bei dem Cartesischen "cogito, ergo sum" um eine Schlußfolgerung (vgl. etwa I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 422 Anm.).

2 Vgl. De lib. arb. II 3, nr. 7; De vera rel. 39, nr. 73; De Trin. X 10, nr. 14; De civ. Dei XI 26; Solil. II 1.

3 S. bes. Med. II (A.-T. VII, 23-34).

4 Hua. I 48-65. Es handelt sich um den deutschen, erst posthum veröffentlichten Text, dessen französische Übersetzung Husserl 1931 in Paris unter dem Titel "Méditations Cartésiennes" veröffentlichte (vgl. Hua. I, S. XXVI, XXX). Die beabsichtigte endgültige Bearbeitung dieser Meditationen, die - einem Briefe Husserls an R. Ingarden vom 19. 3. 1930 zufolge - "das Hauptwerk (seines) Lebens" werden sollten (vgl. Hua. I, S. XXVII), ist nicht mehr vollendet worden. - Inwieweit Husserl den "Cartesianischen" Zugang zur "phänomenologischen Reduktion" als den eine strenge Wissenschaft einzig legitimierenden angesehen hat, ist ein schwieriges Problem der Husserl-Forschung (vgl. R. Boehm in der "Einleitung des Herausgebers" zu Teil II der "Ersten Philosophie", Hua. VIII, S. XI-XLII; L. Landgrebe, Der Weg der Phänomenologie 163-206; Th. Seebohm, Die Bedingungen 8, 52-54; J. Berger, L. Elley: Die Krise des Apriori ... 186; bes. H.-G. Gadamer, Die phänomenologische Bewegung 19-39). Fest steht jedenfalls, daß Husserl auch noch in der "Krisis"-Schrift (1935/36) - wo er wohl am deutlichsten auf die Notwendigkeit eines den Cartesianischen Zugang ergänzenden Weges in die Phänomenologie über die "Psychologie" (d. h. die Auslegung der natürlichen Subjektivität) verweist (s. bes. Hua. VI 157 f.) - an der Gültigkeit der Cartesianischen Argumentation festhält (s. bes. Hua. VI 78-80) und auch noch in einem ergänzenden Text aus dem Jahre 1937 (Beilage VI, Hua. VI 408 f.), bei aller Betonung des hypothetischen Charakters des Descartesschen Zweifels, dessen Ergebnis für die Gewinnung eines "absoluten Bodens" unterstreicht. - Für unsere systematische Frage ist nur diese Cartesianische Reflexion selbst wesentlich. Die Denkentwicklung Husserls werden wir lediglich insoweit streifen, als sich dies aus der sachlichen Problematik ergibt.

5 Man müßte hier eigentlich anmerken, daß eine "schlechthinnige Unausdenkbarkeit des Nichtseins" nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden darf mit "Unmöglichkeit des Nichtseins" [Nicht-

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seins"] - was Husserl hier vorauszusetzen scheint. (Vgl. H. Wagner: "... aus dem Denkunmöglichen [wird bedenkenlos] ein Seinsunmögliches ...", Philosophie und Reflexion 413, und den Zusammenhang seiner - allerdings nicht auf Husserl bezogenen - Kritik ebd. 413 f.) Erst die Evidenz der Unmöglichkeit des Nichtseins verbürgt absolut zweifellose Gewißheit. In unserem Zusammenhang geht es aber allein um die Evidenz des cogito/sum, in der Denk- und Seinsgewißheit zusammenfallen - wie noch näher zu zeigen ist -. Insofern können wir hier die Aussage Husserls ungeprüft stehenlassen.

6 Die folgenden Sätze nehmen im Gesamt der Aussagen Husserls über die Evidenz des Daseins der Welt einen interessanten Platz ein: "Den Hinweis auf diese möglichen und vorkommenden Umschläge der Evidenz brauchen wir nicht schon als eine hinreichende Kritik der Evidenz in Anspruch zu nehmen und darin einen vollen Beweis für die Denkmöglichkeit eines Nichtseins der Welt trotz ihres beständigen Erfahrenseins zu sehen. Wir behalten nur so viel, daß die Evidenz der Welterfahrung zu Zwecken einer radikalen Wissenschaftsbegründung jedenfalls erst einer Kritik ihrer Gültigkeit und Tragweite bedürfte, daß wir sie also nicht fraglos als unmittelbar apodiktisch in Anspruch nehmen dürfen" (57 f.). In einer Beilage (1923) zu Husserls Vorlesungen über die "Erste Philosophie", Teil I, stand noch: "absolut evident ist weder ihr Sein noch ihr Nichtsein, absolut evident ist vielmehr die Möglichkeit von Beidem", Beil. XI, Hua. VII 336). "Die erfahrene Welt braucht nicht zu sein - aber wer erschaut in apodiktischer Evidenz diese Möglichkeit: ich selbst, das transzendentale ego ..." (Beil. XI Anm. 1, Hua. 337). Später sagt Husserl dann: "... von einer wirklich universellen Bezweiflung der Welt kann keine Rede sein, aber was von der Methode (sc. der Cartesianischen, unsere Parenthese) als ihre wesentliche Leistung verbleibt, ist die (für Descartes durch die vermeintliche universelle Zweifelsmöglichkeit als Möglichkeit des Nichtseins der Welt selbst motivierte) Epoché hinsichtlich des Seins der ganzen Welt bzw. der hypothetische Ansatz dieses Nichtseins" (Beil. VI zur "Krisis", 1937, Hua. VI 408). Vgl. hierzu H.-G. Gadamer, Die phänomenologische Bewegung 19-34.

7 S. § 2.5 S. 104.

8 L. Landgrebe hat die Ansicht vertreten, Husserl habe "trotz aller Kritik an Descartes doch verstecktermaßen an dem Substanzbegriff der neuzeitlichen Metaphysik festgehalten" (Der Weg der Phänomenologie 202 ). Dieses Urteil gründet in der Auffassung, daß Husserl auch das Sein des transzendentalen Ich "als gegenständliches Feld absoluten Seins" begreife und nach ihm "Wahrheit prinzipiell ... sich bewährende und gegenständliche Beständigkeit des Selbstdaseins" bedeute (ebd. 199). Mir scheint dieses Urteil - vor allem angesichts des "Cartesianischen" Ansatzes Husserls, den man kaum von einem solchen Seinsbegriff her verstehen kann - zu scharf. Vielleicht wäre es richtiger zu sagen, daß Husserl zwei verschiedene Ansätze des Seinsverständnisses nie ganz zur Deckung gebracht hat und sich zu unkritisch auch dort einer "gegenständlichen" Terminologie bedient, wo er wirklich transzendental denkt.

9 Vgl. Die Bedingungen der Möglichkeit 158 f.

10 Metaphysik 76 f.

11 Ebd. 77.

12 Ebd. 159.

13 Ebd. 138 f.

14 Transzendentalphilosophie und Metaphysik 138.

15 Ebd. 139.

16 Ebd. 139 A 7.

17 Vgl. E. Husserl, Cart. Med., Hua. I 64.

18 E. Coreth, Metaphysik 138.

19 Ebd.

20 Hua. I 55.

21 Hua. I 57.

22 Ebd. 62.

23 Hua. I 64.

24 Beil. XI zur "Ersten Philosophie", Teil I, Hua. VII 337 f. A 1.

24 Vgl. etwa Hua. VII 64-66, Hua. VI 78 f. Wenn H. Holz (gemäß dem o. a. Zitat) Maréchal und Husserl darin übereinkommen sieht, daß beide nur an einer unbedingten Geltung des "cogito/sum" in der phänomenalen Ordnung festhielten, so übersieht er offenbar, daß Maréchal doch selbst, auf Husserls "Ideen" eingehend, sagt: "Dans le 'cogito', la conscience est donnée à la fois, immédiatement, 'comme essence et comme existence'. Admettons ceci' (Phénoménologie pure ou philosophie de l'action? in: Mél. Maréchal I 191). Hierzu die Anmerkung (Anm. 1 ebd.): "Ideen p. 85. Cette réflexion phénoménologique (ou 'transcendantale' au sens kantien) qui manifeste une existence nécessaire, ne saurait etre confondue avec la réflexion psychologique, qui ne manifeste directement qu'une existence de fait.' Maréchal trifft m. E. sehr präzise den Gedanken Husserls. - Für die Auffassung, daß das "Ich bin" von Husserl nur phänomenal verstanden sei, dürfte sich H. Holz auch kaum zu Recht auf Seebohm berufen können (vgl. Th. Seebohm, Bedingungen 33, 42. - H. Holz verweist a.a.O. 139 A 7 auf Seebohm, a.a.O. 79, 99, 102, wo wir allerdings keinen Beweis dafür finden konnten, daß Husserls "ego" nach Seebohm bloß phänomenal zu verstehen sei. Entsprechendes gilt für die dortigen Verweise von Holz auf Husserls Werk selbst: Hua. I 56, 59, 92). Wenn Seebohm sagt, die "absolute Subjektivität" sei kein in noch so sublime(m) Sinne Seiendes' (ebd. 177), so ist dies gegen eine ontologische Interpretation gesagt, die das "Ich bin' von einem vorgängig zur phänomenologischen Reduktion gewonnenen "mundanen" Seinsbegriff her auslegen will.

26 H. Holz, a.a.O. 138.

27 Cah. II 58.

28 Ebd.; vgl. die parallele Stelle im "Précis", wo Maréchal nur die beiden ersten Einwände bringt: "Entre l'affirmation du Moi comme phénomène ou comme sujet transcendantal, et son affirmation comme substance, devrait aujourd'hui s'intercaler toute la réfutation de l'idéalisme critique" (67).

29 Cah. II 58.

30 Ebd. 59.

31 Ebd.

32 Dasselbe Mißverständnis dürfte schon der Kritik Schellings am Cartesischen "cogito-sum" zugrunde liegen: "Allein wir können noch weiter zurückgehen und sogar das Ich denke selbst in Zweifel ziehen - wenigstens in der Bedeutung, die es unstreitig bei Cartesius hat. Diesem Ausspruch: Ich denke, liegt nämlich zweierlei zugrunde: 1. das, was in mir denkt, z. B. was jetzt eben zweifelt, 2. das auf dieses Denken oder Zweifeln Reflektierende; nur indem dieses jenes Erste als mit sich identisch erkennt, sage ich: Ich denke. Das Ich denke ist also seiner Wahrheit nach keineswegs etwas Unmittelbares, es entsteht nur durch die Reflexion, welche sich auf das Denken in mir richtet, welches Denken übrigens auch unabhängig von jenem auf es Reflektierenden vonstatten geht ... Da es also zweierlei ist, das Denkende und das auf dies Denkende Reflektierende und es als eins mit sich Setzende, oder da es ein objektives, von mir unabhängiges Denken gibt, so könnte ja dieses in jener / vermeinten Einheit oder, indem es das ursprüngliche Denken sich zuschreibt, eben darin könnte es sich täuschen und das Ich denke könnte nicht mehr auf sich haben als der Ausdruck ... : Ich verdaue, ich mache Säfte, ich gehe ..." (Zur Geschichte der neueren Philosophie, Münchener Vorlesungen, Darmstadt 1959, 15 = Erste Gesamtausg. d. Werke, Bd. X, 11 f.).

33 S. den folgenden Paragraphen.

34 Aus dem ersten Teil des "Cahier IV", dessen Manuskript Maréchal kurz vor seinem Tode (1944) beendet hat (vgl. Cah. IV 7 f.).

35 B 157 f.

36 B 158 Ende. Das Problem der Bestimmung des transzendenta3en Ich werden wir erst weiter unten aufgreifen.

37 Cah. II 99 f.

38 Cah. IV 100.

39 Vgl. ebd. 309.

40 Man wird sagen dürfen, daß Maréchal mit Kant den gleichen Ansatz vom objektivierenden Denken her teilt und daß von daher die Feststellung berechtigt ist, daß das o. a. Existenzurteil Kants inkonsequent ist.

41 Zur Auffassung Maréals selbst bezüglich einer möglichen "Intuition" der ursprünglichen Gewißheit des Selbstbewußtseins s. § 3,3 ds. Kapitels.

42 S. S. 102.

43 Cah. IV 95. Vgl. die Bemerkung W. Röds zum cogito/sum Descartes': Indem man sozusagen den Bereich der inhaltlichen Gewißheit unendlich klein werden läßt, geht beim Übergang zur Null der Zweifel in die erste Gewißheit über" (Descartes 74). Zu diesem Problem der Bestimmung des transzendentalen Ich, das sich in der Neuzeit am äußersten Punkt der Kritik unserer Seinserkenntnis erhebt, gibt es ein eigenartiges Analogon dort, wo das scholastische Philosophieren an den äußersten Punkt metaphysischen Denkens gelangt. Bei der Frage, ob Gottes Sein beweisbar sei, erhebt sich der Einwand der Theologie, dann müsse ja das Wesen Gottes das "medium" des Beweisganges bilden; dies könne aber der Mensch nicht erkennen. Thomas von Aquin antwortet, es genüge für den Beweisgang zu wissen, "quid significet nomen, non autem quod quid est" (I 2,2 ad 2). Zu der Fragwürdigkeit dieser Auskunft vgl. K. Rahner, Bemerkungen zur Gotteslehre 12f.

44 Cah. IV 95 f.

45 Vgl. den dritten Einwand Maréchals gegen das "cogito/sum" Descartes' (s. o. S. 100) und den ganzen Zusammenhang seiner Ausführungen zum "Ich denke" bei Kant im Cahier IV, aus dem wir oben nur die Grundlinien der Kritik betrachtet haben.

46 Die Zweifelsfrage nach Sein kann ein Zweifel am Dasein wie auch am So-beschaffensein sein (vgl. E. Husserl, Ideen I, Hua. III 64). Daß Husserls Frage nach der Seinsgeltung aber eine Frage nach dem (gültigen) Wirklichsein darstellt, ergibt sich schon (abgesehen von den oben zitierten Texten, s. S. 98 f.) aus seinem Ansatz in den "Ideen" selbst (vgl. bes. Hua. III 63 ff., 68 f., 70). Letztlich fällt allerdings jede Frage nach "So-sein" auf eine Frage nach "Da-sein" zurück - ob man Wirklichkeit nun im realistischen oder im idealistisdien Sinn versteht -, da sich eine Wesensbestimmung nicht im Raume bloßer Idealität zu halten vermag, ohne schließlich dem bloßen Schein zu verfallen.

47 S. den 1930 erstmals veröffentlichten Aufsatz: Phénoménologie pure ou philosophie de l'action? in: Mél. Maréchal I 181-206. Es ist zu bedauern, daß Maréchal später nicht mehr zu einer eingehenderen Auseinandersetzung mit dem Werk Husserls gekommen ist.

48 Vgl. L. Landgrebe, Der Weg der Phänomenologie 173 und H.-G. Gadamer, Die phänomenologische Bewegung.

49 Vgl. o. S, 94. Anm. 4, bes. die oft zitierte Stelle in der "Krisis": Ich bemerke nebenbei, daß der viel kürzere Weg zur transzendentalen Epoché in meinen 'Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie', den ich den 'cartesianischen' nenne ..., den großen Nachteil hat, daß er zwar wie in einem Sprunge schon zum transzendentalen ego führt, dieses aber, da jede vorgängige Explikation fehlen muß, in einer scheinbaren Inhaltsleere zur Sicht bringt, in der man zunächst ratlos ist, was damit gewonnen sein soll, und gar, wie von da aus eine neue und für eine Philosophie entscheidende, völlig neuartige Grundwissenschaft gewonnen sein soll" (Hua. VI 157 f.).

50 Hua. I 55, 62 u. ö.; vgl. schon Beilage II (1924/1925) zum zweiten Teil der "Ersten Philosophie", Hua. VIII 310 f.

51 Hua. I 62.

52 Hua. VI 79, vgl. schon in den "Ideen" I: Hua. III 173.

53 Daß die Phänomenologie Husserls zumindest ihrer Intention nach nicht als metaphysischer Idealismus anzusehen ist, wird - entgegen der Auffassung R. Ingardens

Seite 107:

(vgl. Der Streit um die Existenz der Welt IX u. ö.) u. a. Autoren - m. E. mit Recht (u. a.) von Th. Seebohm (Bedingungen 162 f.) und H.-G. Gadamer (Die phänomenologische Bewegung 19) vertreten.

54 Vgl. das Fichte-Zitat bei R. Lauth, Zur Idee der Transzendentalphilosophie 106.

55 Vgl. R. Lauth, ebd.

56 Vgl. Augustinus. De vera rel. 39, nr. 72 und Conf. III 6, nr. 11.


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