Als Günter Berger (* 1929 in Oppeln) vor nunmehr mehr als 30 Jahren im oldenburgischen Raum auftrat, konnte man "Kirchenmusik als Neuheitserlebnis" erfahren: Improvisationen, die in ihrem Einfallsreichtum und in ihrer formalen Gekonntheit frappierten, eine ganz neue Farbigkeit des Orgelklangs. Gottesdienstgestaltungen mit liturgisch-kirchenmusikalischer Konsequenz, vielfach über Rundfunk und Fernsehen vorbereitet, ein Einsatz für qualitätvolle Werkorgeln u. a. m.
Aus der strengen Schule von Joseph Ahrens (Berlin) kommend (nach Studien bei Heinz Wunderlich in Halle), bei dem er 1955 das Staatsexamen für Kirchenmusik ablegte, hatte der junge Musiker bald mit einigen "Dogmen" gebrochen: das Erbe der Romantik war wieder lebendig, besonders die französische Orgelmusik wurde - damals pionierhaft eingebracht, eine große stilistische Unbefangenheit nach der Askese der Orgelbewegung, rhythmische Verve versus Statik ...
Der berufliche Weg führte über den kirchenmusikalischen Dienst an St. Marien, Delmenhorst, Lehraufträge, eine Dozentur für Improvisation und Künstlerisches Orgelspiel am Konservatorium in Bremen (1973) zur Professur für Orgel (Literatur und Improvisation) an der Hochschule für Künste der Freien Hansestadt Bremen.
Inzwischen liegt ein umfangreiches kompositorisches Werk vor, wobei die Orgel im Mittelpunkt steht und - mit einigen Seitenblicken - hier für das Ganze stehen kann, - das Werkverzeichnis zeigt die Breite des ganzen Oeuvre.
Das melodische Grundmaterial seiner Werke entnimmt Berger häufig dem gregorianischen Melos oder auch dem Kirchenlied.
Der ursprüngliche Werkstoff kann dabei unangetastet bleiben oder auf verschiedene Arten verfremdet werden. Ersteres etwa mit Einzug der tonalen Basis des c.f. (s. Werkverzeichnis am Schluß des Beitrages Nr. 4.7)
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oder durch Aufschichtung von Melodieteilen auf mehreren harmonischen Ebenen (4.7):
Der c.f. "flieht" vor sich selbst auf zwei harmonischen bzw. modalen Ebenen, wird aber durch Zusatztöne gebunden (4.4):
Die unverfremdete Melodie erhält eine schaukelnde Begleitfigur im 6/.-Takt, die gegen die Schwerpunkte angeht (4.12):
Beispiele für Verfremdungsverfahren sind etwa die Zerlegung einer im Baß (Ped.) melodisch unverfremdeten Choralmelodie durch Pausen, so daß die im Vierer-Takt sich hochschraubende Sequenzierung gegen den dominierenden Dreier-Rhythmus des Basses anzugehen hat (5.1):
Die Melodie wandert durch verschiedene Stimmlagen (vom Sopran zum Tenor, wiederum zum Sopran, dann zum Tenor und schließlich zum Baß. Dieser sogenannte durchbrochene Stil, ein Charakteristikum des Wiener klassischen Instrumentalsatzes, führt hier zu immer feinerer Aufsplitterung (5.2):
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Dichte Verschachtelung von Melodieteilen, quasi in Engführung, beständigem Taktwechsel mit tänzerischem Impetus, läßt die klangliche Vertikale nicht außer Acht (4.2):
Im nächsten Beispiel zeigt die rhythmische Umformung einer Melodie bei entsprechender Begleitakzentuierung die Ausformung zu einem Baiâo-Tanz (4.11):
Die Originalgestalt einer Choralmelodie, durch Pausen zerpflückt und gleichzeitige spiegelbildliche Sequenzierung des Melodiekopfes in Ausdünnung, d.h. Reduzierung auf Zweistimmigkeit ist ein weiteres Werkcharakteristikum (4.15):
Danach wieder eine quasi in Engführung gearbeitete Verschachtelung der Choralmelodie mit einer Klangvertikalen mit "französischem" Anklang. Das von Langlais geschätzte Werk ist dem Altmeister in Verbundenheit gewidmet (4.15):
Die Terzen- und Quartetüden von Debussy gaben den Anstoß zur choraltoccata Cum jubilo. Der gregorianische Choral tritt rhythmisch variiert und auch akzentverschoben auf. Die Melodie wandert dabei wieder in durchbrochenem Stil durch Manuale und Pedale (4.13):
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Die Inspiration für den Schaffensprozeß kommt einerseits aus innermusikalischen Vorgängen, anderseits aus dem Text. So wird die Sekundformung des Melodiekopfes von "Nun bitten wir den hl. Geist" zum bittenden Gestus in drängender Haltung, die zum virtuosen bitonalen Figurenwerk führt, schließlich zur Anfangshaltung zurückfindet (4.5):
Klangballungen bis zur Clusterverdichtung entwickeln sich stets aus der Summierung von Linien und Stimmen. Sie sind Ergebnis eines Prozesses, kein billiger Selbstzweck (4.12 - unserer Meinung nach das Orgelwerk Bergers):
Es liegt an der Thematik, wenn die Crucivixion (5.3) und die Apokalyptischen Sequenzen (5.5) dodekaphonische Klangtrauben, bewegt oder statisch, vermehrt einbeziehen. Gleich welche Kompositionstechnik angewendet wird, Melodien - tonal oder dodekaphonisch - werden nicht tabuisiert.
Auch im chorischen Bereich kommen Klangverdichtungen vor, gelegentlich sogar mit naturaistischem Gestus, wie beim dem Text "Preiset den Herrn, Wind und Sturm" (1.14):
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Das Stück entstand als Kompositionsauftrag der Hamburger Alsterspatzen für den Wettbewerb in Tours und brachte ihnen dort einen Preis ein.
Im gleichen Werk stehen kanonisch geführte Linien mit Querstandswirkungen und eingelagerten, aus der Improvisation heraus zu gestaltenden Tierimitationen, denen sich junge Chöre mit Begeisterung hingeben...
Weniger aufwendig angelegt sind die Europäischen Weihnachtslieder (2.6). Vertikale Klangwirkungen werden auf verblüffend einfache Weise erzeugt. Wenn Linien in sich schlüssig sind, sind auch Sekundreibungen für geschulte Chöre kein Problem.
Der Praktiker Berger schreibt dabei auch für einfache Verhältnisse (1.8), auch wenn mancher Konzertorganist darauf etwas herabschauen mag:
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Frappierend war schon am Anfang von Bergers Laufbahn der Improvisator. Inzwischen hat er auf wiederholte Nachfragen seine Erfahrungen in einen ImprovisationsIehrgang eingebracht, wenngleich er am liebsten am klingenden Beispiel lehrt.
Daß seit den 60er/70er Jahren - nach Vorgang der beispielhaften St.-Marien-Orgel in Delmenhorst (A. Führer) - eine große Anzahl von ihm mitgestalteter bzw. disponierter Orgeln steht (Cloppenburg, Vechta, Löningen, Damme, Bremen-Blumenthal, Arsten u.a.m.), ist ein weiteres Verdienst. Eine Reihe musterhafter "Orgelporträts" mit informativ-eindringlichen Textheften, häufig in Rezensionen prämiert, wurde so möglich.
Mitarbeit in der Gesellschaft der Orgelfreunde, als Juror und tätiger Organist und andere Verpflichtungen runden den Umkreis seiner Arbeit. Als Schüler der "ersten Stunde" wünscht man dem so imposant gewachsenen Werk weite Verbreitung und dem "Jubilar" ad multos annos ...
1.3 Kommuniongesänge. Dülmen : Laumann, 1966.
1.4 Proprium für die Osternacht. Dülmen : Laumann, 1966.
1.5 Exsultet / Senger, Basilius (Textbearb.). Dülmen : Laumann, 1966.
1.6 Proprium für Ostem. Für 1-4stimmigen Chor mit obligater Orgel und Gemeinde-Gesang. Dülmen : Laumann, 1966
1. 7 Proprium für Pfingsten, Dülmen : Laumann, 1966
1.8 Lobgesänge: a) Benedicte; b) Psalm 95 (97): mit Gemeindeantiphonen (zur Auswahl für verschiedene Festkreise), Dülmen : Laumann, 1966
1.9 Proprium für das Christkönigsfest: für 1-4stimmigen Chor Gemeinde und obligate Orgel. Dülmen : Laumann, 1966
1.11 Zum Empfang des Bischofs: Seht, das ist der hohe Priester! Dülmen : Laumann, 1967, - Für 2-4stimmigen gern. Chor m. Orgel; Holzblas-Instr. u. Pauken ad lib.
1.12 Magnificat: Für Alt, Beraten und Solo, gern. Chor, 2 Flöten, Klarinette in B, 2 Pauken u. Orgel, 196Z - 16 S. - Kompositionsauftrag der ARD. UA 6. 1. 1968 in Hamburg
1.13 Cantillation: Ps 26, 4.9. 10; Ps 83, 5.34 11, nach Übersetzungen Guardinis und Bubers für Kantor/Solist und Orgel.
1. 14 Benedicite - Lobgesang der drei Jünglinge im Feuerofen (Dan. 3,57 - 88), Für sieben gleiche Stimmen, Tempelblöcke, Becken, 2 antique Cymbals, Schlagstäbe, Tamtam, Flöte ete. 1979. UA 1979 durch die Hamburger Alsterspatzen beim Internationalen Chorwettbewerb in Tours. RB
2. Arbeiten für den Kindergottesdienst
2.2 Meditationsgesänge für Kinder und Eltem nach Psalmentexten. Boppard : Fidula-Singheft, Partitur, Schallplatte
2.3 Fünf Evangelien in einer Darstellung für Kinder.- 1. Der Gelähmte. 2. Der Samaritaner 3. Der Blinde. 4. Der verlorene Sohn. 5. Der arme Lazarus. Boppard: Fidula, o.J.
2.4 Fünf Messen für und mit Kindern und deren Eltern. - Jeweils mit Schallplatte (Auslieferung durch den Komponisten).
2.4,1 Adventsmesse mit Kindern und Eltern: "Sehet, der Herr will uns erlösen"
2.4.2 Weihnachtsmesse mit Kindern und Eltern: " Ein Kind uns geboren"
2.4.3 Messe zur Fastenzeit. mit Kindern und Eltern: "Nur du rettest dein Kind"
2.4.4 Messe zur österlichen Zeit.- mit Kindern und Eltern: "Neues Leben ist uns gegeben"
2.4.5 Messe zur Pfingstzeit. mit Kindern und Eltern: "Vom Geist erfüllt, verkündet Gottes Taten"
2.5 Passion für Kinder Mit Sprechchören und Einzelsprechern eingerichtet.
3. Sonstige Werke für Ensembles
3.3 Zitatennonsens für Kenner und Liebhaber quer durch den Quintenzirkel. Für 5 gl. Stimmen. 1983. UA 29. 4. 1989 durch Hamburger Alsterspatzen, Hamburger Musikhalle.
3.4 Gebete aus der Arche. Für Solosopran. Kammerorchester Pianoforte und Percussion 1988. UA 1. 3. 1989 durch Alaine Woods, Sopran u. Mitglieder der Staatsoper Oldenburg in Cloppenburg 3.5 Europäische Weihnachtslieder Für 3-5 gl. Stimmen. 1981. Wilhelmshaven : Heinrichshofen, 1990 (i. Vorb.)
4. Orgelwerke
4.3 Kleine Partita über ein Psalmlied nach der Weise "Jauchzt, alle Lande, Gott zu ehren" 1966.
4.4 Osterlied. Jesus Christus, unser Heiland. Kleine Partita, 1966.
4.5 Pfingstlied: Nun bitten wir den Heiligen Geist. Kleine Partita. 1966.
4.7 Choral-Variationen über "Gott sei gelobet" in 6 Versen. 1968. - 8 S.
4.8 Toccatina "Österliches Deo gratias". - What about this. Mr. Perotin? 1964/80.
4.9 Heiligste Nacht - ein Orgelintroitus. 1987.
4, 10 Orgeltanz "Nun danket alt und bringet Ehr" 1988. - 8 S.
4. 11 Tanz-Choralsuite " Im Frieden dein" 1968. - 7 S.
4.12 Sakraltanz auf zwei polnische Danziger Weisen. 1982. - 12 S.
4.13 Choraltoccata "Cum jubilo- Hommage à Claude Debussy 1963. - 6 S.
4,14 Toccata "Veni creator spiritus": im memoriam Béla Bartók. 1966. - 12 S.
4.15 Dialogue "Kyrie Ions bonitatis: Hommage à Jean Langlais. Wien ; München : Doblinger. 1985. 7 S.
5. Orgel und andere Instrumente
5.2 Toccata "Cunctipotens genitor Deus".- Hommage à Jehan Alain. Wien ; München : Doblinger, 1985. - 12 S. - Orgel und Klarinette (Pauken ad lib.).
5.3 Crucifixion für Horn und Orgek Sieben Passionsmeditationen. - Den Opfern von Oswiecim (Auschwitz), 1976. - 70 S. EA für Polen 1980 in Opole, Nowy Targ, Krynica-Zdröj. EA für Israel 16. 4. 1981 in Jerusalem, Rundfunkmitschnitt.
5.4 Polyphones Geflecht über ein gregorianisches Thema: Für Horn in F und Orgel. 1964/78.
5.5 Sequenzen unabweisbaren Befundes aus visionär vorhergesagtem und akutem Anlaß: für Horn (in F). Trompete (in C). Bariton, Orgel., Musikalischer Versuch einer Symbiose von Alt und Neu in honorem Anton Bruckner 1987. - Introduktion und dreizehn Sequenzen.
6. Orgelbearbeitungen/-ausgaben
6.2 Johann Pachelbel: Choralpartita "Beim letzten Abendmahle": Choral mit 12 Versetten, bearb. f. d. Orgel u. mit Gemeindebegieitsätzen versehen. Bonn-Bad Godesberg : Forberg, 1980. 12 S.
6.3 Henry Purcell: Zwei Suiten für Orgel. ad, lib. mit Pauken. Bonn-Bad Godesberg : Forberg, 1981, 30S.
6.4 Jules Blanc: La procession: Tableau musical composé pour orgue, op. 14. Bonn-Bad Godesberg : Forberg, 1981. 16 S.
6.5 Franz Liszt. Vier Trauerstücke: f d. Orgel bearbeitet. 1. Abschied, 2. Trübe Wolken, 3. Unstern, 4. Trauermarsch. Bonn-Bad Godesberg : Forberg, 1981, 16 S.
6.6 Franz Liszt., Légende Nr 1: Franz von Assisi, die Vogelpredigt; François d'Assise, la prédication aux oiseaux; für die Orgel eingerichtet. Bonn-Bad Godesberg : Forberg, 1982. 20 s.
7 Unterrichtswerke
8. Schallplatteneinspielungen
- Vgl. hierzu auch 2.2 und 2.4
8.2 Charles Marie Widor: Gotische Symphonie für Orgel, op, 70 (Symphonie gothique), Seiffert-Orgel in der kath. Pfarrkirche St. Aldegundis zu Emmerich/Nrh. Psallite Nr. 223/060 8
8.3 Charles Marie Widor 1. Symphonie für Orgel in c-Moll, op. 13, No. 1 / Führer-Orgel in der Pfarrkirche St. Viktor zu Damme/Oldb. Psal 2341270 778
8.4 Charles Marie Widor: V Orgelsymphonie in f-Moll, op. 42, No. 1 / Führer-Orgel in der St. Marienkirche, Delmenhorst. Psal 2621270 683
8.5 Louis James Alfred Lefebure-Wely: Suite en forme de messe basse; G. Berger: Rômische Impressionen. Psal 263/180 783
8.6 Charles Marie Widor: Aus Sinfonie Nr 5 op. 42,4: Allegro vivace, Allegro cantabile, Toccata. Jehan Alain: Litanies, Deux Danses à Agni Yavishta. Günter Berger: Suite Française pour Orgue, Clarinette et Timbale. Joseph Jongen: Toccata Française pour Grand Orgue / Psal 37/050 567
8.7 Requiem aeternam - Gregorianische Totenmesse / P. Martin Uhlenbrock OSB, Lituge, Günter Berger, Orgel Schola Cantorum St. Godehard, Hannover, Ltg.: Peter Kaufhold. - Psal 156/180 784
8.8 Die Doppelorgel der Benediktinerabtei Maria Laach, Marianische Antiphonen, Pange lingua. H. Schroeder: Die Marianischen Antiphoneri. J. Langlais: Suite médiévale, Pange lingua (aus spätmit. Tabulaturen) / Günter Berger, Orgel; Kantoren der Abtei Maria Laach. - Psal 17/250 265
http://www.ub.uni-freiburg.de/referate/04/raffelt/berger-postmoderne.html
Letzte Änderung: 20.07.2000