Die Besitzgeschichte ist nicht voll rekonstruierbar. Durch Besitzeintrag ist als Zwischenbesitzer nach der ursprünglichen Adressatin (s.u.) nur der Arzt und Kanoniker Guillaume Sacher (1522-1582) nachgewiesen, der die Handschrift seinen Neffen André und Pierre Des Fontaines schenkte. Es handelt sich bei dieser Handschrift um ein Werk des Thomas Le Myésier (+1336), eines Arztes und Kanonikers in Arras, in dem dieser die Lehre des katalanischen Denkers Raimundus Lullus (1231-1315) nach dessen "Ars brevis" zusammengefaßt hat. Le Myésier hatte Lullus 1287 in Paris kennengelernt und setzte sich intensiv für dessen Lehre ein. Er suchte sie besonders für die zeitgenössischen Pariser Auseinandersetzungen um den Averroismus fruchtbar zu machen. Um angesichts der Schwierigkeit des Lullianischen Werks dessen leichtere Rezeption zu ermöglichen, kompilierte er drei zusammenfassende Schriften. Das umfassende "Electorium magnum" ist in der Bibliothèque nationale in Paris erhalten (Ms. lat. 15450), die ebenfalls erhaltene Kurzfassung stellt die vorliegende Handschrift dar - ein "Electorium medium" ist vermutlich verlorengegangen.
Das "Breviculum" ist künstlerisch besonders gestaltet. Wie Lull in ähnlichen Fällen suchte auch Le Myésier durch eine Widmung an eine hochgestellte Persönlichkeit den Einfluß der Schrift zu stützen, wobei ihm seine Stelle als Leibarzt der Comtesse Mahaut d'Artois zustatten kam. Das "Breviculum" hat eine königliche Adressatin: Es ist von Thomas Le Myésier Königin Johanna von Burgund-Artois, der Frau Philipps V. und älteren Tochter Mahauts d'Artois, überreicht worden (vgl. Miniatur XII). Im 18. Jahrhundert, als das Werk in Sankt Peter erworben wurde, gab es noch ein sachliches Interesse am Lullismus. Die große Edition in Mainz erschien 1721-42. Martin Gerbert erwähnt in seinem "Iter alemannicum" den Wert der Handschrift für den Fortgang dieser Mainzer Edition und hebt ihre hagiographische Bedeutung hervor. Daneben aber war die Handschrift ein bibliophiles Sammlungsstück, ein "codex singularis" (Gerbert). Die Darstellung Gerberts trug zur zeitgenössischen Berühmtheit der Handschrift bei und hätte in den Wirren der Säkularisation beinahe eine vorzeitige Entfernung aus St. Peter bewirkt.
Der besondere bibliophile bzw. buchkünstlerische Reiz liegt in den zwölf ganzseitigen Miniaturen von hervorragender Qualität. Sie stellen das Leben des Raimundus Lullus mit legendarischen Elementen dar, geben eine allegorische Darstellung seiner Gedankenwelt und präsentieren auch die Arbeit Le Myésiers wirkungsvoll. Die Absicht der von Le Myésier in Auftrag gegebenen Miniaturen nennt dieser gleich in den ersten Sätzen, in denen er erläutert, daß er diese Bilder habe verfertigen lassen, um die Herkunft des Lullianischen Gedankengebäudes darzustellen und zweitens um durch die legendarischen und erbaulichen Bilder Trost und Erbauung und damit einen Ansporn zum guten Handeln zu geben.
Die Miniaturen sind nach Art von Bildergeschichten mit Spruchbändern und ausführlichen erläuternden Texten versehen. Wegen der ikonographischen Eigenständigkeit dieser Abbildungen gegenüber dem Repertoire, das etwa in liturgischen Handschriften verwendet wurde, ist es nötig, sie ausführlicher mit Hilfe der Texte zu erläutern (Übersetzungen nach W. Büchel und T. Pindl-Büchel). Die dreigeteilte Miniatur I (1v) zeigt im linken Drittel die im Vorwort des "Breviculum" geschilderte Bekehrungsgeschichte des Raimundus Lullus. Beim Schreiben eines Liebeslieds hat er - als etwa Dreißigjähriger am Hofe des Königs von Mallorca den Freuden gesellschaftlichen Lebens zugetan - eine Kreuzesvision, die sich viermal wiederholt: "maior quam ante et magis terribilis/jeweils größer und schrecklicher als vordem". - Das zweite Drittel zeigt Raimundus als Pilger in dem Marienwallfahrtsort Rocamadour. Der Text enthält in Form von Bitten drei Pläne: "mit Hilfe der Freigebigkeit Deiner großen Weisheit soll eine Wissenschaft (Ars: auch Weisheit, Kunst) entstehen, durch die den Ungläubigen die Wahrheit Deines Sohnes, seines heiligen Gesetzes und seiner Lehre gezeigt werden kann - und zwar aufgrund zwingender Verstandesgründe (necessariis rationibus). Als zweites erbitte ich, daß gebildete und fromme Männer gefunden werden, die die genannte Wissenschaft beherrschen... Papst, Kaiser, Könige, Fürsten und Barone mögen in ihrem jeweiligen Herrschaftsbereich dafür sorgen, daß diese Gebildeten die arabische und hebräische Sprache erlernen können..., daß jene überall in die Welt hinausgehen..." Letzteres wird mit dem Kreuzzugsgedanken verbunden. Originell für diese Zeit ist der Wert, der hier auf das Studium des Arabischen und des Hebräischen für das Gespräch mit den Muslimen und Juden und ihre Missionierung gelegt wird. - Das letzte Drittel der ersten Miniatur zeigt Raimundus als Jakobspilger in Santiago de Compostela und enthält ein Gebet zu diesem Heiligen. Die Abbildungen VI und VII (6v/7r) sind die einzigen, die gegenüberliegend eine zusammenhängende Szene bilden, die außerordentlich reichhaltig mit Texten versehen ist. Sie veranschaulichen in einer recht komplizierten allegorischen Form die Philosophie Lulls bzw. seine und Le Myésiers Sicht des Aristotelismus und Averroismus (vgl. Hillgarth und T. Pindl-Büchel [1992]). Damit interpretieren sie die damals aktuelle philosophische Diskussion.
Miniatur VI zeigt das Heer des Aristoteles, das heranrückt, um den Turm der Unwahrheit zu zerstören, gemeinsam mit dem Kommentator des Aristoteles, nämlich Averroes (Exercitus Aristotilis ad destruendum turrim falsitatis cum suo commentatore). Der Turm der Unwahrheit ist von den Boten der Unwahrheit besetzt: links Bosheit, Untätigkeit, Unwissen, Schwäche, Verwirrung, Fall, Vergeblichkeit, Nichts; rechts Kleinheit, Unmöglichkeit, Haß, Unwahrheit, Strafe, Gegensatz, Leere, Unförmigkeit, Überfluß, Verminderung (malitia, cessatio, ignorantia, debilitas, confusio, casus, frustra, nihil bzw. parvitas, impossibilitas, odiositas, falsitas, poena, contrarietas, vacuum, difformitas, superfluum, diminutum). Links am Turm bei der Vorhut ist das Ziel angegeben, durch Vernichtung oder Unterscheidung den Turm zu zerstören (Per interemptionem aut per distinctionem oportet dissolvere turrim). Auf diesem Schild steht die Versicherung glaubhafter Argumentation, oberhalb des Bogens diejenige hervorragenden Beweisens (Probabiliter arguo, Potissime demonstro). Das Pferd des Aristoteles ist die vernünftige Überlegung (ratiocinatio), seine Lanze stellt "Instrumente überreich an Syllogismen" dar, das Banner nennt die Methoden: Betrachtung von Ähnlichem, Erforschung von Unterschieden, Gebrauch von Sätzen, Unterscheidung der Vielfalt (consideratio similitudinum, inventio differentiarum, sumptio propositionum, multiplicis distinctio). Auf dem Streitwagen befinden sich vorne die fünf Prädikabilien bzw. allgemeinen Aussageweisen der Logik: allgemeine Gattung, speziellste Art, allgemeiner Unterschied, Eigentümlichkeit, zufällige Eigenschaft (genus generalissimum, species specialissima, differentia generalis, proprietas, accidens). Dahinter sind die zehn Kategorien der Ontologie, zehn einfache Prinzipien der Dinge (Decem rerum principia incomplexa). Der Text steht neben der Lanze der Substanz mit den Bestimmungen "durch sich selbst, ursprünglich, zuerst, aufgrund seiner selbst bestehend: Per se, principaliter, primo, propter se subsistens". Die restlichen Kategorien werden summarisch auf dem Banner damit gekennzeichnet, daß sie nicht aufgrund ihrer selbst sind, sondern damit die Substanz in sich ist (Non sumus propter nos, sed ut sit substantia in se. Ideo, quia ab ea dependemus, sibimet inhaeremus).
Das folgende Banner trägt Averros, der auf seinem Pferd reitet, das die Vorstellungskraft darstellt (imaginatio). Auf dem Banner sind die Prinzipien seiner Naturphilosophie genannt: Ziel, Wirkendes, Form, Stoff, Mangel (finis, efficiens, forma, materia, privatio). Die drei Texte neben seiner Lanze lauten: In Spekulationen vollkommen zu sein und sich in ihnen zu schulen, ist das höchste Glück (Esse perfectum in speculativis et in eis exerceri summa est felicitas); Der Glaube des Häretikers Averroes ist in jedem Gesetz (Fides Averrois haeretici in omni lege); Wer erkennen will, muß Erscheinungen betrachten (Intelligentem oportet phantasmata speculari)". Neben der Lanze des ersten Kriegers ist zu lesen: Körper in seiner Quantität, Bewegung, Zeit, äußere Erscheinung, Ort, natürliche Betrachtung (Corpus quantum, motus, tempus, superficies, locus, consideratio naturalis); neben der des zweiten das Aristotelische Wort (nach Metaphysik 993b): So wie sich das Auge der Nachteule zum Sonnenlicht verhält, so verhält sich unser Intellekt zu dem, was seiner Natur nach offenbar ist. Auf dem Wagen sind abgebildet: der Papst mit einem Kreuz in den Händen und dem abgekürzten "Te Deum"-Text, ein Bischof mit einem Gebet (Deus misereatur nostri et benedicat nobis) und unten ein Kardinal, den Averroes zügelnd, mit den Texten: "Weil die Erscheinungen die körperliche Natur nicht überschreiten können, ist dein Intellekt für das im rein Geistigen Erkennbare verdunkelt, Averroes! Damit du uns nicht in Versuchung führest, zügeln wir deinen Lauf, denn es ist heilige Pflicht, daß, wenn unter mehreren Freunden gewählt werden muß, die Wahrheit vorzuziehen ist". Auf der Spruchfahne steht: "Sokrates ist ein Freund, aber mehr Freundin ist die Wahrheit" (Socrates amicus, sed magis amica veritas). In dem unten folgenden Redetext des Kardinals wird dies noch weiter ausgefaltet, indem auf die Grenzen der averroistischen Philosophie und die geistige Kraft der Kirche mit Papst, Episkopat, Klerus, Ordensleuten und Theologen hingewiesen wird. Er schließt mit dem Satz: "Dennoch erlauben sie dir in physischen und metaphysischen Wahrheiten zum Turm der Unwahrheit zu ziehen, um ihn mit anderen, die mit der Hilfe Gottes die Wahrheit aus dem Kerker der Unwahrheit befreien wollen, zu zerstören".
Der Text links unten auf dem Blatt ist eine Klage der Wahrheit: "In das Verlies dieses Turms wurde die Wahrheit entgegen ihrer Natur eingekerkert. Sie schmachtet danach, vor aller Welt frei zu sein und weint, klagt und schreit entsetzlich: "Erbarmen, habt Erbarmen mit mir, wenigstens ihr, meine Freunde! Die Hand der Unwissenheit hat mich berührt, und an meiner Stelle wurde in der Öffentlichkeit die unzuverlässige Meinung gekrönt; ich dagegen, die ich jeden Winkel scheue, bin ganz gegen meinen Willen in der Dunkelheit und ohne Licht in der Tiefe des Kerkers verborgen. Traurig, verlassen und fast verzweifelt sterbe ich! Es gibt keinen, der mir hilft oder mir Trost spendet, im Gegenteil: Viele trachten mehr danach, die falsche Meinung zu unterstützen, als mich aus dem Kerker zu befreien. All ihr Philosophen, in die ich - abgesehen von Gott - mein ganzes Vertrauen setze, weil ihr wahre Liebhaber der Weisheit und der Wahrheit seid, kommt mir zu Hilfe, ich bitte euch; sonst muß ich durch Untätigkeit zugrunde gehen! Oh ihr christlichen Herren, wie könnt ihr es ertragen, daß ich durch Juden und Sarazenen derart unterdrückt werde, daß sie mich von der Spitze des Turmes, den ich sogar noch überragen müßte, in das Verlies dieses Turmes der Unwahrheit hinunterstürzen?"
Die Miniatur VII zeigt das heranrückende Ersatzheer des Raimundus zur Zerstörung des Turmes der Unwahrheit und Unwissenheit (Retrobellum et succursus exercitus domini Raimundi Lul de Maioricis ad corruendum turrim falsitatis et ignorantiae). Die drei Trompeter symbolisieren die drei Kräfte der vernunftbegabten Seele: erkennen, lieben, ehren, bezogen jeweils auf Gott, auf den Dreieinen, auf den Schöpfer und Erlöser jeweils in permutierender Reihenfolge (Deum cognoscamus, diligamus, recolamus. Unum Deum trinum diligamus, recolamus, cognoscamus. Creatorum nostrum recolamus, cognoscamus, diligamus, nostrum redemptorem). Neben den Trompeten sind die drei Seelenkräfte bezeichnet: Vernunft, Wille Gedächtnis (intellectus, voluntas, memoria). Der Zusatz von anderer Hand links unten besagt, daß hier nur ein Pferd dargestellt sein dürfte (Deberet esse unus equus tantum). Ein Beispiel dafür, wie Thomas Le Myésier die fertigen Abbildungen kontrolliert und in diesem Fall korrigiert hat.
Lulls Pferd trägt den Namen der rechten oder guten Absicht (recta intentio). Neben seiner Lanze steht das Motto: "Wer Geistiges erkennen will, muß Sinne und Einbildung überschreiten und vielmals sich selbst" (Intelligentem spiritualia oportet sensus et imaginationem transcendere et multotiens seipsum). Auf dem Banner steht: "Durch die erste Intention und das Größersein des Ziels lieben wir Gott. Durch die zweite Intention und das Kleinersein des Zieles hoffen wir auf Verdienst" (Per primam intentionem et maioritatem finis Deum diligimus. Per secundam intentionem et minoritatem finis meritum spectamus). Auf dem Wagen sind die achtzehn Prinzipien der Lullianischen Ars verzeichnet: die neun absoluten Prinzipien Gutheit, Größe, Dauer, Macht, Weisheit, Wille, Tugendkraft, Wahrheit, Herrlichkeit (bonitas, magnitudo, duratio, potestas, sapientia, voluntas, virtus, veritas, gloria).
Auf die absoluten folgen die neun relativen Prinzipien: Differenz, Übereinstimmung, Gegensatz, Anfang, Mitte, Ziel, Größersein, Gleichheit, Kleinersein (differentia, concordantia, contrarietas, principium, medium, finis, maioritas, aequalitas, minoritas); bei den drei letzteren fehlen die Aufschriften und Lanzen. Die Feuersäule zwischen den beiden Gruppen könnte in Anspielung auf Exodus 13,20-22 die Anwesenheit Gottes bei der Streitmacht symbolisieren. Der kommentierende Text unter der Abbildung lautet: "Raimundus reitet auf dem Pferd "gute Absicht" (recta intentio) und folgt dem Kreuz und dem heiligen katholischen Glauben. Er schickt drei Trompeter voraus: die drei Kräfte der Vernunftseele. Sie verherrlichen den einen Gott und dessen heiligste und höchste Trinität, den Schöpfer, der aus sich heraus alles andere schafft, und den Sohn Gottes, Jesus Christus, der gekreuzigt wurde. Raimundus trachtet danach, Gott durch seine Ars unablässig zu erkennen, zu lieben, zu verehren, zu verherrlichen und ihm Dank zu sagen. Denn es ist viel von ihm erkennbar, liebenswert, verehrungswürdig und wert, dankbar verherrlicht zu werden. Dies muß unsere grundlegende Absicht sein. Sie ist eine wahre Absicht im Gegensatz zu der des Averroes, der die Wahrheit nicht gekannt oder sich nicht um sie bemüht hat, weil er sie, so sehr er nur konnte, mißbilligt hat. Er leugnet das ewige Leben, behauptet, daß das höchte Glück in der Beobachtung liege und daß es in den spekulativen Wissenschaften vollkommen sei. Er wendet sich nicht der inneren Tätigkeit Gottes zu; ebenso nicht seiner kreativen nach außen wirkenden Tätigkeit, sich nicht darum kümmernd, daß eine jede Tätigkeit auf das Ziel und die Vollkommenheit ausgerichtet ist. Weder hat er sich darum gekümmert, die Natur der göttlichen Dignitäten noch deren Tätigkeiten zu erkennen, weder deren Einheit noch deren personale Unterscheidung der Tätigkeit, ohne die Gott von Ewigkeit und in Ewigkeit in sich selbst untätig verharren würde und jeglicher Würde entbehrte. Folglich wäre er in seiner ganzen Natur unvollkommen und letztlich unwürdig, Gott zu sein. Er selbst jedoch hat sich als der vollkommenste, einfachste, einzigste und reinste sich selbst erkennende Akt geoffenbart; dies kann jedoch ohne einen, der erkennt, einen, der erkennbar ist und den Akt des Erkennens, nämlich das Erkennen selbst, das von dem, der erkennt und dem, der erkennbar ist, ewig hervorgeht, nicht sein. Durch diese Tätigkeit erkennen wir notwendig die personale Trinität als Einheit im Wesen. Durch ihre äußere Tätigkeit erkennen wir die Schöpfung der Welt und die Ordnung ihrer Teile, die Gottes unendliche Weisheit nicht umsonst und ohne Ziel geschaffen hat, sondern zum Größersein des Ziels hin geordnet hat. Denn Gott und die Natur tun nichts vergebens, wie selbst die alten Philosophen und deren erster bekennen".
Zur Miniatur XII (12r) wird im erläuternden Text der Handschrift erklärt: Thomas überreicht der Königin von Frankreich und Navarra die versprochene Kurzzusammenfassung (Breviculum) sowie eine mittlere Auswahl (electorium medium) und die nach der Intention des Raimundus aus seinen 155 Werken zusammengestellte und geordnete erste Auswahl (primum electorium). Die Absicht zu diesen Werken wird in der vorangehenden Miniatur XI im Dialog mit Raimundus dargestellt. Thomas Le Myésier wendet sich nun in zwei Versen an die Königin:
"Exiguum munus, quod dat tibi pauper amicus
Recipiat placide tua benigna maiestas".
(Das kleine Geschenk, das Euch ein armer Freund gibt,
möge Eure gütige Hoheit wohlgefällig annehmen.)
Raimundus Lullus legt seine Hand stützend auf Le Myésier und sagt: "Quia finem principalem observavit et textum non mutavit, bene vel optime fecit, quare studium aliorum alleviavit" (Weil er das Hauptziel bewahrt und den Text nicht verändert hat, hat er gut, ja sehr gut gehandelt, auch deswegen, weil er das Studium der anderen erleichtert hat). Die Miniatur zeigt in der Abbildung des Thomas deutlich porträthafte Züge und ist damit ein sehr frühes Beispiel realistischer Porträtdarstellung. Die Präsentation des eigenen Werkes (das Electorium magnum war zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollendet; Raimundus bereits gestorben) ist überhaupt äußerst geschickt in Szene gesetzt. Die Entstehung der Miniaturen geht auf genaue Anweisungen Le Myésiers zurück. Er hat sie - wie gesehen - auch selbst korrigiert. Über den Ausführenden ist aber nichts bekannt (vgl. Hillgarth). Über die Geschichte der Handschrift in Sankt Peter gibt es Zeugnisse von Martin Gerbert und dem Sankt Peterner Abt Speckle. Ende des letzten Jahrhunderts wurden erstmals die Abbildungen veröffentlicht. Inzwischen liegt die umfassend kommentierte Faksimile-Ausgabe vor. - Die Philosophiegeschichte nahm das Werk erst in unserem Jahrhundert intensiver zur Kenntnis, und in den Suppelementen zu der vom Raimundus-Lullus-Institut der Universität Freiburg veranstalteten Ausgabe der Opera latina des Raimundus wurde jüngst die unten genannte Edition (mit Farbabbildungen aller Miniaturen) veröffentlicht. Auch die wissenschaftliche Auswertung durch eigene Arbeiten zu dem Werk ist inzwischen angelaufen. Nach Ende einer einseitig auf den Thomismus fixierten Rezeption der Scholastik insbesondere im Bereich katholischen Denkens ist auch der Lullismus als "andere" Tradition wieder von Interesse. Er war allerdings nie ganz vergessen, und von Nikolaus von Kues über Leibniz bis Teilhard de Chardin reichen offene oder untergründige Zusammenhänge. Gerade die Rationalitätskonzeption Lulls, die eher Verbindung mit der früheren Scholastik hat, ist heute als geschichtliche Lösung einer auch in der Gegenwart der Theologie gestellten Aufgabe wieder von Interesse.
Literatur:
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Emil Ettlinger: Geschichte der Bibliothek von St. Peter im Schwarzwalde unter besonderer Berücksichtigung des Handschriftenbestandes. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 54, NF 15 (1900), S. 611-641, hier 627
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Frances A. Yates: The Art of Ramon Lull. In: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 17 (1954), S. 115-173 (mit Abb.)
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Ellen Judiht Beer: Initial und Miniatur : Buchmalerei aus neun Jahrhunderten in Handschriften der Badischen Landesbibliothek. 2. Aufl. Basel 1965, S. 47f., 67
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M. Batillori; J. N. Hillgarth: Vida de Ramon Llull : Les fonts escrites i la iconografia coet…na. Barcelona 1982
W. Büchl: Die philosophische Anthropologie des Raimundus Lullus anhand der Handschrift BLB St. Peter perg. 92. Zulassungsarbeit, masch. Freiburg 1983
Heinzer/Stamm: Pergamenthandschriften, S. 183-185 mit Abb. 10 (Miniatur XII)
F. Heinzer: Zur Bedeutung und Geschichte des Breviculums. Karlsruhe 1988 (Vorträge der Badischen Landesbibliothek. 19)
G. Stamm: Die Miniaturenfolge des Breviculums. Karlsruhe 1988 (Vorträge der Badischen Landesbibliothek. 20) - G. Stamm: Eintracht zwischen Christen und Muslimen. Die Miniaturenfolge des Raimundus Lullus-Breviculums. In: G. Sievernich (Hrsg.): Europa und der Orient. Gütersloh 1989, S. 156-164
Karlheinz Ebert: Immer zum Helfen bereit: Die Badische Bibliotheksgesellschaft. In: Gerhard Römer (Hrsg.): Buch, Leser, Bibliothek. Karlsruhe 1992, S. 57-62, hier 60f
Kurt Kramer: Die Glocke in der bildenden Kunst. Teil 1: Die Glocke und der Tod. In: Das Münster (1992), S. 27-37 (mit Abb. von Miniatur III; Kommentar irreführend)
Theodor Pindl-Büchl: Ramon Lull und die Erkenntnislehre Thomas Le Myésiers. Münster : Aschendorff, 1992 (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters. NF 35) (mit Abb. von Miniatur VI/VII).
Albert Raffelt: Die Klosterbibliothek von Sankt Peter und ihre mittelalterlichen Handschriften. In: Hans-Otto Mühleisen (Hrsg.) ; Brigitte von Savigny (Red.): Das Vermächtnis der Abtei : 900 Jahre St. Peter auf dem Schwarzwald. Karlsruhe : Badenia Verlag, 1993, S. 393-469. - Mit Farbabbildungen von Miniaturen I, VI, VII, XII; enthält dazu eine Vorfassung des voranstehenden Textes. - 2. Aufl. 1994
Faksimile:
G. Stamm (Hrsg.): Electorium paruum seu Breuiculum : Handschrift BLB St. Peter perg. 92 der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe. Wiesbaden 1988
Kommentarband mit folgenden Beiträgen: G. Stamm: Einführung, S. 13-19; F. Heinzer: Kodikologische Beschreibung und Geschichte der Handschrift, S. 21-32; R. Hasler: Die Miniaturen des Breviculums, S. 33-88; Ch. Lohr: Das Breviculum des Thomas Le Myésier im Rahmen des Lebens und der Lehre Ramon Lulls, S. 89-105; T. Pindl-Büchel: Aspekte des Lullismus und die Kompilationen Le Myésiers, S. 107-114; W. Büchel und T. Pindl-Büchel: Transkription und Übersetzung der Texte innerhalb des Miniaturenzyklus, S. 115-139.
Edition:
Lohr, Charles ; Pindl-Büchel, Theodor ; Büchel, Walburga (Ed.): Brevicvlvm sev electorivm parvvm Thomae Migerii (Le Myésier). Tournhout 1990 (Raimundi Lulli opera latina. Supplementi Lulliani. 1) (Corpus Christianorum. Continuatio mediaevalis ; 77). - Mit Farbabbildungen aller Miniaturen und erläuternden Bildtafeln.
http://www.ub.uni-freiburg.de/referate/04/breviculum.htm